Die Seele des Feuers - 10
zumindest seine Ansprachen vor dem Büro für kulturelle Zusammenarbeit jenen Direktoren weiche Knie, die den Minister im Verdacht hatten.
Vor der Menge, die zusammengekommen war, um seinen Worten zu lauschen, hatte der Minister neue, nicht näher bestimmte Maßnahmen gefordert, um mit der Gewalt fertig zu werden. Derartige Maßnahmen wurden nie näher bestimmt, und nur selten wurde tatsächlich etwas unternommen. Bereits die leidenschaftlich vorgetragene Absichtserklärung genügte, um die Menschen vom Erfolg des entschlossenen Vorgehens des Ministers zu überzeugen. Das Ziel war der äußere Schein, und der allein zählte. Dieser äußere Schein war leicht zu erzielen, erforderte nur geringen Aufwand und brauchte keiner Prüfung durch die Wirklichkeit standzuhalten.
Selbstverständlich würden die Steuern angehoben werden müssen, um die Finanzierung dieser Maßnahmen abzusichern. Das Rezept war perfekt: Widerstand galt als Begünstigung von Gewalt und stand mit der Brutalität der hakenischen Oberherren und Mörder auf der gleichen Stufe. Auf diese Weise erlangten der Minister und Dalton die Kontrolle über weite Teile der Wirtschaft. Und Kontrolle bedeutete Macht.
Bertrand fand Gefallen daran, im Zentrum all dessen zu stehen, Befehle zu erteilen, das Böse zu entlarven, die unterschiedlichen Gruppierungen besorgter Bürger zusammenzuführen, die Menschen zu beschwichtigen. Höchstwahrscheinlich würde das Ganze sehr bald im Sand verlaufen, sobald die Menschen sich anderen Dingen zuwandten und der Mord in Vergessenheit geriet.
Hildemara war glücklich; und das allein zählte für Dalton Campbell. Rowley stand da, steckte den Kopf zur Tür herein und wartete. »Sag Inger, er soll sich mit seinem Problem an Mr. Drummond wenden«, sagte Dalton, zu einer weiteren seiner Nachrichten greifend. »Drummond ist der Küchenmeister und für das Fest verantwortlich. Ich habe ihm eine Liste mit Anweisungen gegeben. Der Mann sollte sich mit der Bestellung von Fleisch auskennen.«
»Ja, Sir.«
Die Tür wurde geschlossen, und bis auf das sanfte Nieseln des Frühlingsregens wurde es still im Raum. Ein sanfter, gleichmäßiger Regen war gut für die Ernte. Und eine gute Ernte würde helfen, die Klagen über die zusätzliche Steuerlast auszuräumen. Dalton ließ sich entspannt in seinen Sessel zurücksinken und setzte seine Lektüre fort.
Der Verfasser der Nachricht hatte offenbar Heiler beim Betreten der Residenz des Herrschers beobachtet. Er hatte mit den Heilern nicht sprechen können, schrieb jedoch, sie seien die ganze Nacht über in der Residenz des Herrschers geblieben.
Möglicherweise hatte jemand anderes als der Herrscher Hilfe benötigt. Schließlich verfügte der Herrscher über einen gewaltigen Hofstaat – dessen Größe annähernd dem Anwesen des Ministers entsprach, nur dass er ausschließlich der persönlichen Nutzung durch den Herrscher vorbehalten war. Was, den Herrscher betreffend, an geschäftlichen Dingen zu erledigen war, wurde in einem getrennten Gebäude abgewickelt. Dort hielt er auch Audienz.
Auch auf dem Anwesen des Ministers für Kultur war es nichts Ungewöhnliches, wenn ein oder zwei Heiler über Nacht bei einem Kranken weilten, das bedeutete jedoch nicht, dass der Minister persönlich der Heilung bedurfte. Die größte Gefahr drohte dem Minister von einem eifersüchtigen Ehemann; und das war höchst unwahrscheinlich. Die Rendezvous ihrer Gemahlinnen mit hochrangigen Beamten dienten den Ehemännern eher dazu, sich Vorteile zu verschaffen. Beschwerden vorzubringen galt als wenig förderlich.
War Bertrand erst einmal Herrscher, würden möglicherweise verletzte Gefühle kein Anlass zur Besorgnis mehr sein. Eine Zusammenkunft mit dem Herrscher galt für eine Frau als große Ehre – sie kam fast einer religiösen Erfahrung gleich. Göttliche Vereinigungen dieser Art galten weithin als vom Schöpfer persönlich abgesegnet.
Jeder Ehemann würde seine Gemahlin in das Bett des Herrschers drängen, würde sie darum gebeten. Das durch diese bevorzugte Behandlung gewonnene Ansehen hatte neben der Frömmigkeit noch einen weiteren Effekt; hauptsächlicher Nutznießer dieser heiligen Handlung war der Ehemann. War die geheiligte Empfängerin der fleischlichen Aufmerksamkeiten des Herrschers jung genug, erstreckte sich der Segen sogar auf ihre Eltern.
Dalton wandte sich wieder der vorherigen Nachricht zu und las sie noch einmal durch. Die Gemahlin des Herrschers war seit Tagen nicht gesehen worden. Den
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