Die Seele des Feuers - 10
Ausflüchte nicht hören. Ich brauche mir das nicht länger anzuhören, dieses Recht habt ihr verwirkt. Sollte ich je wieder aus diesen Fesseln befreit werden, dann, um denen zu helfen, die dem Licht dienen. Ihr seid keinen Deut besser als die Schwestern der Finsternis. Wenigstens haben sie den Anstand, ihren widerwärtigen Herrn und Meister nicht zu verleugnen.«
Ann verstummte, als ein Mann durch die Öffnung ins Zelt trat.
Er war von durchschnittlicher Größe und stämmig, mit mächtigen Armen und breiter Brust. Seine Fellweste hing offen, sodass man Dutzende juwelenbesetzter Goldketten von seinem Stiernacken herabhängen sah. An jedem Finger trug er einen Ring, der eines Königs würdig war.
Lichtpunkte der Kerzen spiegelten sich auf seinem kahlrasierten Schädel. Eine dünne Goldkette verband den goldenen Ring in seinem linken Nasenflügel mit einem anderen in seinem linken Ohr. Die langen, geflochtenen Enden seines Schnauzers reichten bis über sein Kinn hinab und entsprachen in ihrer Länge genau dem Zopf mitten unter seiner Unterlippe.
Seine Augen jedoch waren das charakteristische, alptraumhafte Merkmal des Traumwandlers.
Sie hatten überhaupt kein Weiß, waren von einem dunklen Grau, das getrübt wurde von düsteren, dämmrigen Partikeln, und doch hatte Ann nicht den geringsten Zweifel, dass sein Blick genau auf sie gerichtet war.
Sie vermochte sich nicht vorzustellen, dass der Blick des Hüters höchstpersönlich hätte grauenerregender sein können.
»Wie ich sehe, haben wir Besuch.« Seine Stimme passte zu seinen Muskeln.
»Das Schwein kann sprechen«, sagte Ann. »Wie faszinierend.«
Jagang lachte; das Geräusch war alles andere als erfreulich.
»Ach, Schätzchen, was seid Ihr doch draufgängerisch. Georgie hier behauptet, Ihr seid die Prälatin höchstpersönlich. Ist das die Wahrheit, Schätzchen?«
Aus den Augenwinkeln sah sie, dass alle Frauen im Zelt auf den Knien lagen und das Gesicht zu einer tiefen Verbeugung in den Staub gedrückt hatten. Ann konnte nicht behaupten, sie hätte kein Verständnis dafür, dass sie dem verstörenden Blick des Mannes nicht begegnen wollten.
Sie schenkte ihm ein liebenswürdiges Lächeln. »Annalina Aldurren, ehemals Prälatin der Schwestern des Lichts, zu Euren Diensten.«
Der tiefe Einschnitt zwischen seinen vortretenden Brustmuskeln vertiefte sich noch, als er die Hände zur Pose des Gebets aneinander legte und sich mit geheucheltem Respekt vor ihrem Rang vor ihr verbeugte.
»Kaiser Jagang, zu Euren Diensten.«
Ann stöhnte gereizt. »Nun, was darf es sein, Jagang? Folter? Vergewaltigung? Hängen, Köpfen oder Scheiterhaufen?«
Erneut stellte sich das schauerliche Grinsen bei ihm ein. »Sieh mal einer an, Schätzchen, als ob Ihr nicht wüsstet, wie man einen Mann in Versuchung führt.«
Er schnappte sich eine Handvoll Haare und riss Schwester Cherna hoch.
»Die Sache ist die, müsst Ihr wissen, ich besitze genug von diesen gewöhnlichen Schwestern, und ich besitze auch genug von der anderen Sorte, von denen, die sich dem Hüter verschworen haben. Ich muss gestehen, die anderen sind mir lieber.« Er zog eine Braue über seinem abstoßenden Auge hoch. »Sie können noch immer einen Teil ihrer Magie nutzen.«
Schwester Cherna traten vor Schmerz die Tränen in die Augen, als er ihre Kehle packte. »Aber ich besitze nur eine Prälatin.«
Schwester Chernas Füße schwebten deutlich mehrere Zoll über dem Boden. Sie bekam keine Luft, machte aber keinerlei Anstalten, sich zu wehren. Seine fürchterlichen Muskeln arbeiteten und glänzten im Schein der Kerzen.
Die Muskelstränge in seinem Arm spannten sich. Chernas Augen weiteten sich unter seinem immer fester werdenden Griff. Ihr Mund öffnete sich in stummer Angst.
»So«, meinte Jagang, an die anderen gewandt, »sie hat also alles bestätigt, was die Chimären betrifft? Und euch alles über sie erzählt?«
»Ja!«, brachten mehrere augenblicklich vor, sichtlich in der Hoffnung, er werde Schwester Cherna loslassen.
Alles nicht, überlegte Ann. Sollte Zedd jemals mit irgend etwas Erfolg haben, dann, hoffte sie, mit den Chimären.
»Gut.« Jagang ließ die Frau fallen.
Schwester Cherna brach zu einem Häuflein zusammen. Ihre Hände schnellten augenblicklich zum Hals, während sie nach Atem rang. Sie bekam keine Luft mehr, Jagang hatte ihr die Luftröhre zerquetscht. Ihre Finger griffen ins Leere; zu seinen Füßen liegend, begann sie blau anzulaufen.
Mit allerletzter Kraft schleppte sie sich in
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