Die Seele des Feuers - 10
durch einen ergänzenden Bann ins Gleichgewicht gebracht worden sein, um ihnen die Rückkehr in die Welt des Lebendigen zu ermöglichen. Ein solcher Rückkehrbann könnte – durch die Anrufung von Dreiergruppen und dergleichen mehr – von außerordentlich präzisen Bedingungen eingeschränkt gewesen sein, doch das spielte keine Rolle; das bloße Vorhandensein eines Rückkehrmechanismus würde als Ausgleich für den Vertreibungsbann genügen.«
Zedd fuhr langsam mit dem Finger über den Rand seiner Teetasse. »Nach allem, was ich über die Geschichte weiß, verlangt das Wesen ihres Seins, dass die Chimären nur dann in die Welt des Lebendigen zurückkehren können, wenn die genauen Bedingungen des Ausgleichmechanismus präzise eingehalten werden – und zwar durch das Tor ihrer Vertreibung hindurch. Deswegen musste ich hierherkommen.«
Sie starrte nachdenklich in die Ferne. »Ja, das klingt logisch. Dieses Tor, wo immer es sich befindet, müsste offen stehen.«
»Ihr wisst zwar nicht, wo die Chimären begraben liegen, aber vielleicht könntet Ihr meine Führerin sein.«
Ihr Blick kehrte zu ihm zurück. »Wo könnten wir denn suchen? Habt Ihr einen bestimmten Ort im Sinn, wo wir beginnen sollten?«
Zedd nahm noch einen Schluck, dann setzte er die Tasse ab.
»Ich hatte mir gedacht, Ihr könntet mir vielleicht helfen, in die Bibliothek zu gelangen.«
»Die Bibliothek für Kultur. Auf dem Anwesen des Ministers für Kultur?«
»Eben die. Dort gibt es sehr alte Texte, zumindest war das früher so. Da die Chimären hier in Anderith vertrieben wurden, enthält die Bibliothek möglicherweise irgendwelche Aufzeichnungen oder Informationen, anhand derer ich feststellen könnte, wo das Ganze stattgefunden hat, und somit, wo sich dieses Tor befindet. Möglicherweise gibt es dort auch noch andere brauchbare Informationen.«
»Wie lauten die Titel der Bücher, die Ihr sucht? Vielleicht kenne ich sie.«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, welche Bücher uns weiterhelfen könnten, immer vorausgesetzt, solche Bücher existieren überhaupt, und wenn ja, sie befinden sich tatsächlich hier. Ich werde einfach anfangen müssen, die Bände in der Bibliothek durchzusehen, und abwarten, was ich finde.«
Sie beugte sich vor. »Zedd, es gibt dort Tausende von Büchern.«
»Ich weiß. Ich habe sie bereits gesehen.«
»Und angenommen, Ihr findet ein Buch, in dem dieser Ort genannt wird, was dann?«
Zedd zuckte in bewusst unbestimmter Manier die Schultern. »Eins nach dem anderen.«
Wenn er keine Informationen über den Mechanismus der Vertreibung ausgraben konnte, so hatte er bereits eine Vorstellung, was er tun musste, sobald es ihm gelang, den Ort des Begräbnisses ausfindig zu machen. Selbst wenn er diese Informationen fand und die Angelegenheit nicht schwierig war, so war er ohne seine Magie bei der Umkehrung des Problems aufgeschmissen.
Möglicherweise wäre er gezwungen, zu verzweifelten Maßnahmen zu greifen.
»Was ist nun mit der Bibliothek für Kultur? Komme ich dort hinein?«
»Ich denke, bei diesem Teil des Problems könnte ich behilflich sein. Als Anderierin, die zudem auf dem Anwesen des Ministers bekannt ist, habe ich freien Zutritt. Das gilt nicht für jeden. Die Machthaber haben die Geschichte in einem Ausmaß umgeschrieben, dass diejenigen unter uns, die einen Teil davon selbst miterlebt haben, nicht einmal mehr die eigene Vergangenheit wieder erkennen, von all dem Übrigen, was man uns sonst noch erzählt, ganz zu schweigen.«
Sie löste sich aus ihren persönlichen Gedanken und richtete sich tapfer lächelnd auf. »Wann wollt Ihr dorthin?«
»Je eher, desto besser.«
»Glaubt Ihr, Ihr könntet Euch als Gastgelehrter ausgeben?«
»Ich denke, notfalls bringe ich es sogar fertig, so vergeistigt auszusehen, als hätte ich Mühe, mich an meinen Namen zu erinnern.«
47. Kapitel
»Oh, sehr freundlich«, stieß Zedd in gespieltem Entzücken hervor, als die Frau den schweren Band in den Lichtkegel der hohen Lampe legte. »Jetzt bin ich ganz sicher, es besteht absolut kein Zweifel mehr: Ihr könnt nur eine gute Seele sein, die gekommen ist, mir beizustehen, Madame Firkin.«
Die Frau wurde unversehens so schüchtern wie ein junges Mädchen; ihre Wangen röteten sich, als sie lächelte.
»Dazu bin ich doch da, Meister Rybnik.«
Er beugte sich näher zu ihr und senkte seine Stimme zu einem munteren Flüstern. »Von schönen Frauen ziehe ich es vor, Ruben genannt zu werden.«
Wenn die Umstände es
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