Die Seele des Feuers - 10
erforderten, einen Decknamen zu benutzen, bevorzugte Zedd den Namen Ruben Rybnik; er fand den Namen fesch. Sein einfaches Leben weckte das Bedürfnis nach gelegentlichem Glanz. Zedd war der Ansicht, dass heitere Zerstreuungen als Ausgleich unverzichtbar waren. Etwas so Simples wie die Verwendung des Namens Ruben Rybnik kam diesem Bedürfnis da sehr entgegen.
Die Frau begriff die kokette Bemerkung nicht und blinzelte ihn verständnislos an – was Zedd überraschte, denn ihrem Aussehen nach hatte sie sich bestimmt ihr Leben lang vor glühenden Verehrern kaum retten können. Zedd sah sich gezwungen, deutlicher zu werden.
»Aus diesem Grund, Madame Firkin, ziehe ich es vor, Ihr nennt mich Ruben.«
Sie starrte ihn verwirrt an, dann schließlich, als er sah, wie die Erkenntnis in ihren dunkelbraunen Augen eins und eins zusammenzählte, entfuhr ihr unvermittelt ein Kichern, das durch den langen Saal hallte. An den anderen Tischen hoben ein paar Leute den Kopf. Er bemerkte, wie einer der Aufseher zu ihnen herübersah. Madame Firkin versuchte ihr Grinsen mit dem Handrücken zu verdecken, während sie tiefrot anlief.
»Ruben.« Die Frivolität, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen, ließ sie abermals kichern. Sie sah sich um, bevor sie sich zu ihm beugte. »Vedetta.«
»Ah«, gurrte Zedd. »Vedetta. Was für ein hinreißender Name.«
Als sie kichernd davoneilte, hallte ihr Schlurfen leise durch den riesigen Saal – durch das untere der beiden Stockwerke der eleganten anderischen Bibliothek. Von seinem Platz an einem der Tische aus hatte Zedd schon eine ganze Weile durch die Fenster dem Sonnenuntergang zugesehen. Die Lampenreihen ließen das honigfarbene Eichenholz des Raumes in einem warmen Glanz erglühen und spendeten all denen Licht, die selbst jetzt noch lieber Worte verschlangen als ein Abendessen.
Zedd zog den schweren Band, den Vedetta Firkin aufgestöbert hatte, heran. Bereits ein flüchtiger Blick verriet ihm, dass er wertlos war. Er schlug ihn dennoch auf, um so zu tun, als lese er mit aufrichtigem Interesse darin.
Das tat er keineswegs. Das Buch, in dem er tatsächlich las, lag oben rechts, und selbst bei gesenktem Kopf konnte er die Augen nach rechts verdrehen und darin lesen, sodass jeder, der neugierig vorüberschlenderte, getäuscht wurde. Und Neugierige gab es in der Nähe einige.
Schon sein großspuriger Auftritt hatte für Aufsehen gesorgt, als er, am oberen Ende der Bibliothek stehend, schwungvoll verkündete, er sei im Besitz einer Gesetzeshypothese, in der es darum gehe, die Haftung von Zweitlieferanten gegenüber ihren Vertragspartnern mit Hilfe von im Kleingedruckten der Handelsverträge nicht eigens ausgeführten, im Zivilrecht uralter Handelsgrundsätze jedoch mit enthaltenen, höhere Gewalt betreffenden Klauseln für null und nichtig zu erklären, und er sei überzeugt, diese anhand der hervorragenden in der Geschichte anderischen Rechts aufgeführten Beispiele kluger Rechtsprechung nachweisen zu können.
Nicht einer hatte den Mut besessen, seine Behauptungen in Zweifel zu ziehen. In der Bibliothek war jeder nur zu gern bereit, ihn seine Forschung betreiben zu lassen. Dass Franca ihn begleitete, war hilfreich, denn sie war in der Bibliothek bekannt.
Es war spät, und die Betreiber der Bibliothek wollten nach Hause, fürchteten jedoch, sich den Zorn eines Mannes mit so außergewöhnlichen Gesetzeskenntnissen zuzuziehen. Sein Bleiben veranlasste ein paar andere, ebenfalls noch zu verweilen. Zedd wusste nicht, ob sie es taten, um die längere Öffnungszeit der Bibliothek zu nutzen oder um ihn zu beobachten.
Franca saß auf der anderen Seite des Tisches, wenn auch ein wenig seitlich versetzt, um Platz zu schaffen für all die Bücher, die ausgebreitet vor ihnen lagen. Konzentriert ging sie Bücher durch und lenkte gelegentlich sein Augenmerk auf Dinge, denen er ihrer Ansicht nach vielleicht Beachtung schenken sollte. Franca war gescheit und machte auf Dinge aufmerksam, die kaum ein anderer verstanden hätte, Dinge, die möglicherweise von Bedeutung sein konnten. Bislang jedoch hatte sie nichts Verwertbares entdeckt. Er war selbst nicht recht sicher, wonach sie eigentlich suchten, aber eins wusste er genau: Gefunden hatten sie es noch nicht.
Zedd, in tiefer Konzentration versunken, erschrak, als ihn jemand an der Schulter berührte.
»Entschuldigt«, meinte Vedetta leise.
Zedd lächelte die schüchterne Dame an. »Schon in Ordnung, meine liebe Vedetta.« Er zog fragend die Brauen
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