Die Seele des Feuers - 10
Zedd dem aufgeregten Tier zu. »Ich schenke dir die Freiheit.« Zedd lächelte. »Wenn ich nicht zurückkomme … freu dich deines Lebens, meine Freundin. Genieße das Leben.«
Spinne stieß einen lang gezogenen, verärgerten schrillen Schrei aus. Zedd winkte ihr ein letztes Mal, und der Schrei ging in ein tiefes Brüllen über.
Zedd drehte sich um und trat hinter das herabstürzende Wasser – in die Dunkelheit. Der Vorhang des Wasserfalls schloss sich hinter ihm.
Er zögerte nicht, denn er war fest entschlossen, den Chimären zu geben, was sie verlangten: eine Seele. Wenn er es auf eine Weise tun konnte, die ihm das Leben erhielt, dann würde er es tun. Ohne seine Magie bestand allerdings nur wenig Hoffnung, dass er sein Vorhaben durchführen und dabei unversehrt bleiben konnte.
Als Oberster Zauberer besaß er einige Kenntnisse über das anstehende Problem. Die Chimären brauchten eine Seele, um in der Welt des Lebendigen verweilen zu können – auf diese Weise waren sie heraufbeschworen worden. Mehr noch, sie benötigten eine ganz besondere Seele: ebenjene, die man ihnen versprochen hatte.
Wesen aus der Unterwelt, vor allem seelenlose Wesen, hatten zweifellos nur ein begrenztes Verständnis dafür, was es hieß, eine Seele zu besitzen, oder was für eine Art von Seele man ihnen zugesichert hatte. Natürlich mussten gewisse spezifische Vorschriften zur Anwendung kommen, darüber hinaus jedoch befanden sich die Chimären in einer für sie fremden Welt. Auf dieser Unwissenheit beruhte seine einzige Hoffnung.
Wegen ihrer engen Verwandtschaft, und weil das Leben durch ihn an Richard weitergegeben worden war, waren ihre Seelen über zarte Bande und Verbindungen miteinander verknüpft; ihre Seelen waren wie ihre Körper miteinander verwandt. So wie sie andere Dinge gemeinsam hatten, die Form des Mundes zum Beispiel, wiesen auch ihre Seelen die gleichen Merkmale auf.
Dennoch war jeder von ihnen ein einzigartiges Individuum, und genau darin lag die Gefahr.
Er hoffte, die Chimären würden seine Seele mit jener verwechseln, die sie benötigten, und sie als die Seele akzeptieren, die sie haben wollten, und, da es letztendlich die falsche war, daran ersticken. Sozusagen.
Es war Zedds einzige Hoffnung. Er wusste keine andere Möglichkeit, den Chimären Einhalt zu gebieten. Mit jedem Tag, der verstrich, stieg die Gefahr für die Welt des Lebendigen. Jeden Tag starben Menschen. Mit jedem Tag wurde die Magie schwächer.
So gerne er weitergelebt hätte, er wusste einfach keinen anderen Ausweg, als sein Leben zu verwirken, um die Chimären zu stoppen, und zwar jetzt sofort, bevor es zu spät war.
Sobald sie sich der ihnen versprochenen Seele öffneten und sie dadurch verwundbar waren, würde seine Seele den Fluss jenes Bannes unterbinden, mit dessen Hilfe sie in diese Welt gelangt waren.
In Anbetracht dessen, dass er ein Zauberer war, war diese Hoffnung nicht ganz unbegründet; genau genommen war sein Vorgehen durchaus logisch. Von zweifelhaftem Ausgang, aber logisch.
Zedd wusste, dass sein Plan den Bann zumindest in gewissem Maße stören würde – in etwa vergleichbar mit einem in tödlicher Absicht auf ein Tier abgeschossenen Pfeil, der sein Ziel knapp verfehlte, das Tier aber wenigstens verwundete.
Doch wie sich das alles auf ihn selbst auswirken würde, wusste er nicht. Zedd gab sich diesbezüglich keinen Illusionen hin. Vernünftigerweise erwartete er, sein Vorhaben werde, wenn es ihn nicht bereits durch den Verlust seiner Seele umbrachte, die Chimären verärgern, woraufhin diese ihre Rache nehmen würden.
Zedd lächelte. Der Ausgleich dafür bestand darin, dass er endlich seine geliebte Erylin in der Welt der Seelen Wiedersehen würde, wo ihr unsterblicher Geist auf ihn wartete.
Die Hitze im Innern war erdrückend.
Die Wände bestanden aus langsam wogendem, sich hin und her werfendem, wirbelndem, flüssigem Feuer.
Er befand sich im Innern der Bestie.
In der Mitte der pulsierenden Höhle richtete Sentrosi, die Königin des Feuers, ihren todbringenden Blick auf ihn. Flammenzungen kosteten die Luft ringsum. Sie lächelte – ein gelber Flammenwirbel.
Ein letztes Mal unternahm Zedd den vergeblichen Versuch, seine Magie herbeizurufen.
Sentrosi schoss mit Furcht erregender Geschwindigkeit und in beängstigender Gier auf ihn zu.
Zedd spürte den sengenden Schmerz in jedem Nerv, während eine unvorstellbare Angst von seiner Seele Besitz ergriff.
Die Welt ging in Flammen auf. Sein Schrei explodierte in einem
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