Die Seele des Feuers - 10
Zedds Vorhaben, zu dem er keine Alternative sah, niemals gutgeheißen.
Zedd riss sich aus seinen alles erdrückenden, schwermütigen Gedanken und ließ den Blick über den See schweifen. Er musste mit den Gedanken bei der Sache bleiben, sonst konnte ihm leicht ein Fehler unterlaufen, und sein Opfer wäre vergeblich. Wenn er dies schon tat, dann wenigstens richtig. Eine gut gemachte Arbeit hatte etwas Befriedigendes, selbst eine Arbeit wie diese.
Während er geübten Auges die Szenerie musterte, offenbarte das anfangs so friedlich wirkende Wasser mehr. Im Wasser wimmelte es von unsichtbaren, in lauernden Schwärmen umherziehenden Wesen, die vor düsteren Absichten überzuschäumen schienen.
Im Wasser wimmelte es von Chimären des Todes.
Zedd sah wieder zum Wasserfall hinüber. Unmittelbar dahinter konnte er den dunklen Schlund der Höhle erkennen. Dort musste er hin, über das Wasser, über das von den Chimären geradezu aufgewühlte Wasser.
»Sentrosi!« Zedd breitete die Arme aus. »Ich bin gekommen, um dir aus freien Stücken die Seele anzubieten, nach der du trachtest. Was mir gehört, überlasse ich nun dir!«
Flammen umzüngelten die Wassersäule und verschlangen sie mit großen, dröhnend hervorschießenden Feuerwolken, die sich zuckend und peitschend aus jenem Ort, genannt ›die Öfen‹, hervorwälzten; die Glut des Feuers spiegelte sich orangefarben auf der Oberfläche des Sees. Der Wasserfall wurde für einen Augenblick in Dampf verwandelt. Tintenschwarzer Rauch türmte sich gemeinsam mit dem weißen Dampf empor und verdrehte sich zu einer unheimlichen Säule, die den Schlund des Todes markierte.
Dann erklang der helle Glockenschlag einer Chimäre, der in den Bergen widerhallte.
Sentrosi hatte geantwortet.
Die Antwort lautete: ja.
»Reechani!«, rief er zum Wasser vor ihm. »Vasi!«, rief er in die ihn umgebende Luft. »Lasst mich passieren, denn ich bin gekommen, um euch allen meine Seele zu überlassen.«
Das Wasser geriet wirbelnd und kreisend in Bewegung, als hätte sich ein Schwarm aus Fischen in Ufernähe vor ihm versammelt. Eher noch schien aber das Wasser selbst lebendig, hungrig, voller Gier. Zedd vermutete, dass es das auch war.
Die Luft ringsum schien sich zu verdichten, sie bedrängte ihn, schob ihn voran.
Das Wasser richtete sich auf und drehte sich gestikulierend zu den Öfen. Die Luft summte vom Klang der Chimären, zahllosen einzelnen Glockenschlägen gleich, die zusammen ein einziges, kristallklares Geräusch ergaben. Die Luft roch verbrannt.
Da es bereits zu regnen begonnen hatte, sah Zedd nicht ein, wieso es eine Rolle spielen sollte, wenn er noch nasser würde. Er trat hinaus ins Wasser.
Statt wie erwartet schwimmen zu müssen, fand er eine Oberfläche vor, die fest genug war, ihn zu tragen, beinahe wie Eis, nur dass sie sich bewegte. Seine Schritte zogen Kreise, die ihn berührten und wieder zurückschwappten, als wäre dies nichts weiter als eine kleine Pfütze, durch die er watete. Jeder seiner Schritte stieß auf Unterstützung.
Es war die Unterstützung der Chimären, von Reechani, die ihn zu seinem Verhängnis trugen, zu ihrer Königin. Vasi, die Chimären der Luft, begleiteten ihn, ein Gewand aus Tod, das ihn vollständig einhüllte.
Zedd spürte den Hauch der Unterwelt in der Luft. Er spürte den feuchten Tod zu seinen Füßen. Er wusste, jeder Schritt konnte sein letzter sein.
Er musste an Juni denken, den Jäger der Schlammenschen, der ertrunken war. Zedd fragte sich, ob Juni den erhofften Frieden gefunden hatte, den Frieden, den man ihm vor seinem Tod versprochen hatte.
Da er die Absicht der Chimären kannte, vermutete Zedd stark, dass sie ihn erst mit quälender Gelassenheit locken, dann ihren Terror ausüben und ihm schließlich das Leben nehmen würden.
Er hatte den Wasserfall noch nicht ganz erreicht, als sich etwas Unsichtbares durch die Wassersäule bohrte. Körperlose Hände teilten den Wasserfall und ließen in der Mitte eine Öffnung zurück, durch die er in die dahinter liegende Höhle treten konnte. Er vermutete, dass er Sentrosi, dem Feuer, leidlich trocken lieber war.
Als er in die Felsenöffnung trat und bevor er hindurchging in die Höhle, vernahm er ein missbilligendes Schnauben von Spinne. Zedd drehte sich um.
Das Pferd stand am Ufer, die Beine gespreizt, die Muskeln angespannt. Die Ohren waren angelegt, die Augen funkelten. Ihr Schweif schlug, ihre Flanken peitschend, von einer Seite auf die andere.
»Alles in Ordnung, Spinne!«, rief
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