Die Seele des Feuers - 10
Büros sah ich all deine Boten umhereilen, als bereiteten sie sich darauf vor, in den Krieg zu ziehen. Ich sah dich hier drinnen Papiere ausgeben, Befehle erteilen. Du arbeitetest tatsächlich. Ich habe eine Weile zugesehen.«
»Warum bist du nicht reingekommen?«
Endlich schwebte sie zu ihm hinüber und ließ sich auf seinen Schoß fallen. Sie schlang ihm die Arme um den Hals und sah ihm in die Augen.
»Du warst so beschäftigt, da wollte ich dich nicht stören.«
»Aber du kannst mich gar nicht stören, Tess. Du bist das Einzige in meinem Leben, das mich niemals stören wird.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Ich schämte mich, dir zu zeigen, dass ich dachte, du würdest mich betrügen.«
»Warum gestehst du es dann jetzt?«
Sie gab ihm einen Kuss, wie nur Tess dies konnte, atemlos, heiß und feucht. Sie ließ von ihm ab und beobachtete lächelnd, wie er auf ihren Busen starrte.
»Weil«, hauchte sie, »ich dich liebe und dich vermisse. Gerade habe ich mein neues Kleid bekommen. Ich dachte, vielleicht könnte ich dich damit in mein Bett locken.«
»Ich finde dich sehr viel reizvoller als die Mutter Konfessor.«
Sie schmunzelte und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. »Möchtest du nicht für ein Weilchen mit nach Hause kommen?«
Er tätschelte ihr Hinterteil. »Ich werde bald bei dir sein.«
Ann öffnete leicht die Augen und sah, dass Alessandra sie beim Beten beobachtete. Ann hatte die Frau gefragt, ob es ihr etwas ausmache, wenn sie vor dem Essen betete.
Alessandra war erst überrascht gewesen und hatte dann erwidert: »Nein, warum sollte es?«
Auf dem nackten Boden im Innern ihres schmutzigen Zeltes hockend, vertiefte Ann sich inbrünstig in ihr Gebet. Sie ließ sich von der Freude des Schöpfers erfüllen, ganz so, wie sie sich ihrem Han öffnete. Sie ließ das Licht sie mit Freude erfüllen. Sie öffnete ihr Herz dem Frieden des Schöpfers in ihrem Innern, gab sich der Dankbarkeit hin für alles, was sie besaß, während es anderen doch so viel schlechter ging.
Sie betete, Alessandra möge nur einen einzigen Strahl des warmen Lichtes spüren und diesem ihr Herz öffnen.
Als sie fertig war, hob sie die Hand, soweit dies ihre Ketten zuließen, und küsste aus Treue zu ihrem Schöpfer, dem sie symbolisch angetraut war, so gut es ging ihren Ringfinger.
Alessandra würde sich ganz sicher an das unbeschreiblich erfüllende Gefühl erinnern, zum Schöpfer zu beten, wenn man dem Einen das Herz in Dankbarkeit öffnete, der einem die Seele geschenkt hatte. Im Leben einer jeden Schwester gab es Zeiten, in denen sie im Stillen, ganz für sich, aus Freude fromm darüber geweint hatte.
Für eine Schwester der Finsternis käme eine solche Tat einem Verrat am Hüter gleich.
Alessandra hatte die ihr vom Schöpfer mitgegebene Seele dem Hüter der Unterwelt versprochen – dem Bösen. Ann vermochte sich nicht vorzustellen, was der Hüter ihr im Gegenzug gegeben haben könnte, das der schlichten Freude eines Dankgebetes an den Einen, von dem alle Dinge herrührten, ebenbürtig wäre.
»Ich danke dir, Alessandra. Es war sehr freundlich von dir, mich vor dem Essen mein Gebet sprechen zu lassen.«
»Mit Freundlichkeit hat das nichts zu tun«, meinte die Frau. »Das Essen rutscht dann einfach schneller, und ich kann mich wieder um meine anderen Angelegenheiten kümmern.«
Ann nickte nur, froh, den Schöpfer in ihrem Herzen gespürt zu haben.
54. Kapitel
»Was sollen wir tun?«, flüsterte Morley.
Snip kratzte sich am Ohr. »Still. Darüber denke ich gerade nach.« Snip hatte keine Ahnung, was sie tun sollten, aber das durfte Morley nicht wissen. Morley war beeindruckt, dass Snip den Ort überhaupt gefunden hatte. Mittlerweile verließ Morley sich darauf, dass Snip wusste, was zu tun war.
Nicht, dass es da sonderlich viel zu wissen gab. Meist ritten sie scharf. Sie hatten das viele Geld, das Campbell ihnen gegeben hatte, also waren keine großen Kenntnisse erforderlich. Essen konnten sie sich kaufen, sie brauchten es weder zu jagen noch zu sammeln. Sie konnten sich alles kaufen, was sie benötigten; nichts mussten sie selber machen.
Snip hatte gelernt, dass Geld sehr weit reichte, wenn es darum ging, Unwissenheit wettzumachen. Da er in den Straßen Fairfields aufgewachsen war, wusste er, wie man auf sein Geld aufpasste und verhinderte, dass es einem durch Betrug oder Diebstahl abgeluchst wurde. Er ging mit dem Geld vorsichtig um, benutzte es niemals, um sich auffällige Kleidungsstücke oder andere
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