Die Seele des Feuers - 10
freigesetzt worden sind. Das ist das Problem, dem wir uns widmen müssen, nicht wie es dazu kam.«
Ann gab ihm mit einem Nicken widerstrebend recht. »Glaubst du, dieser Enkelsohn von dir wird tun, was er sagt, und sich auf kürzestem Weg zur Burg der Zauberer begeben?«
»Er hat es versprochen.«
Ann hob den Kopf und sah ihn an. »Wir reden hier über Richard.«
Zedd breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände aus. »Ich wüßte nicht, was wir sonst hätten tun sollen, um sicherzustellen, daß er sich zur Burg der Zauberer begibt. Wir haben ihm jedes nur erdenkliche Motiv, von Edelmut bis Eigensinn, gegeben, damit er auf schnellstem Weg dorthin eilt; er hat keinerlei Spielraum. Wir haben ihm die Folgen beängstigend klargemacht, falls er nicht genau das tut, was wir ihm als unerläßlich eingetrichtert haben.«
»Stimmt«, meinte Ann, die gefaltete Decke über ihrem Arm glattstreichend, »wir haben alles getan, außer ihm die Wahrheit zu sagen.«
»Darüber, was geschehen würde, wenn er die Burg der Zauberer nicht aufsucht, haben wir ihm größtenteils die Wahrheit gesagt. Davon war nichts gelogen, außer daß die Wahrheit noch grausamer ist, als wir sie ihm ausgemalt haben.
Ich kenne Richard. Kahlan hat die in den Grußformeln genannten Chimären freigesetzt, um sein Leben zu retten. Er fühlt sich ganz sicher verpflichtet und ist entschlossen, das wieder in Ordnung zu bringen, zu helfen. Dabei könnte er höchstens noch verschlimmern, was ohnehin schon trostlos ist. Wir dürfen nicht zulassen, daß er mit dem Feuer spielt. Und wir haben ihm das gegeben, was er am dringendsten benötigt: einen Weg, wie er helfen kann. Der einzig sichere Ort für ihn ist die Burg. An dem Ort, von dem aus sie gerufen wurden, können ihm die Chimären nichts anhaben, außerdem ist das Schwert der Wahrheit vermutlich die einzige Magie, die noch funktioniert, dafür werden wir schon sorgen. Wer weiß, wenn sie ihn nicht in ihren Klauen hat, erlischt die Bedrohung vielleicht ganz von selbst.«
»Ein ziemlich dünner Faden, um die ganze Welt daran aufzuhängen. Vermutlich hast du aber trotzdem recht«, räumte Ann ein. »Er ist ein Draufgänger – genau wie sein Großvater.« Sie warf die Decke auf das Strohlager. »Allerdings muß er um jeden Preis beschützt werden. Er lenkt die Geschicke D’Haras und vereint die Länder unter dessen Banner, um der Geißel der Imperialen Ordnung die Stirn zu bieten. Abgesehen davon, daß er in Aydindril sicher ist, kann er sich dort weiter der Aufgabe widmen, die Einheit zu gestalten. Seine Führungsqualitäten hat er bereits unter Beweis gestellt. Die Prophezeiungen warnen, nur er habe die Möglichkeit, uns mit Erfolg in diesem Kampf anzuführen. Ohne ihn sind wir mit Sicherheit verloren.«
Nissel betrat schlurfend den Raum, in der Hand ein Tablett mit Tavabrot, bestrichen mit Honig und Minze. Zedd anlächelnd, ließ sie sich von Ann die drei dampfenden Becher mit Tee abnehmen, die sie in der anderen Hand hielt. Nissel stellte das Tablett mit Tava vor den Strohlagern auf den Boden und setzte sich auf die Stelle, wo Zedd gelegen hatte. Ann reichte ihr einen der Becher und ließ sich auf der zusammengefalteten Decke am Kopfende des anderen Strohlagers nieder.
Nissel klopfte neben sich leicht auf die Schlafstelle. »Komm, setz dich und nimm etwas Tava mit Tee, bevor du auf die Reise gehst.«
Zedd, dem wichtige Dinge im Kopf herumgingen, bedachte sie mit einem matten Lächeln, als er sich neben ihr niederließ. Sie spürte seine düstere Stimmung, ergriff schweigend den Servierteller und bot ihm Tava an. Zedd, der sah, daß sie seine Besorgnis verstand, wenn auch nicht deren Ursache, legte ihr dankbar einen Arm um die Schultern. Mit seiner anderen Hand nahm er sich ein klebriges Stück Tava.
Zedd leckte den Honig von dessen knusprigem Rand. »Ich wünschte, wir wüßten etwas über dieses Buch, das Richard erwähnt hat, Des Berges Zwilling. Ob er Einzelheiten darüber weiß?«
»Es sah nicht danach aus. Verna erklärte mir damals bloß, Des Berges Zwilling sei vernichtet worden.«
Das hatte Ann bereits gewußt, als Richard danach fragte. Um das wachsende Ausmaß der Probleme vor Richard geheimhalten zu können, hatte sie angeboten, sich mit Hilfe ihres Reisebuches zu erkundigen, obwohl dessen Magie bereits schwächer geworden war.
»Ich hätte zu gerne einen Blick darauf geworfen, bevor es zerstört wurde.«
Ann aß ein paar Bissen ihres Tavabrotes, dann fragte sie: »Was ist,
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