Die Seele des Königs (German Edition)
begriff, was er gehört hatte. Es war ein Klicken hinter ihm gewesen.
Etwas hatte bereits in seine Wange geschnitten. Du Idiot , dachte er. Er hatte sich ohne seinen Helm auf dem Kopf erwischen lassen. Er streckte sich wieder, sprang hinter dem Thron des Gotteskönigs auf und brachte diesen zwischen sich und die Fenster. Von dort kam der Angriff vermutlich. Er drückte die Hand gegen die Wange und hemmte den Blutfluss.
Der Schmerz war unbedeutend. Siris hatte sich durch eine besondere Art von Übungen beigebracht, Schmerzen nicht weiter zu beachten, was ihm einen gewissen Ruf im Dorf eingebracht hatte. Diese Übungen waren nicht angenehm, aber wirkungsvoll gewesen.
Er verharrte reglos und presste sich gegen den Stein des Thronpodests. Wie viele Attentäter waren es? Er brauchte seine Waffe. Rasch traf er eine Entscheidung. Er ließ seine blutende Wange los, taumelte die Stufen zum Thron hoch, packte den Griff der Klinge der Unendlichkeit, wirbelte herum zur Seite des Throns und stellte sich seinen Gegnern.
Eine einzige Gestalt in dunkler Kleidung hatte sich an einem Seil von einem der oberen Fenster des gewölbten Saales heruntergelassen. Die Kreatur war schmal und gefährlich und trug einen langen schwarzen Mantel, der ihr bis zu den Fußknöcheln reichte; darunter befand sich dunkelbraunes Leder. Ihr Gesicht war von einer der charakteristischen Masken verborgen, die Siris als das Zeichen der Dienerschaft des Gottkönigs kennengelernt hatte – oder es war vielleicht sogar einer der Ewiglichen.
Die Kreatur zog ein langes, schmales Schwert aus der Scheide an ihrer Seite. Siris seufzte, bog die Finger und packte die Klinge der Unendlichkeit. Sein Schild lag in einiger Entfernung auf dem Tisch neben dem Helm und den Panzerhandschuhen. Er bezweifelte, dass ihm genug Zeit blieb, sie zu holen. Stattdessen sprang er von dem Thronpodest und nahm die Kampfhaltung der Aegis ein, womit er den Feind zu einem Ehrenduell aufforderte. Als Versicherung für den Notfall glitzerte der Heilring an seinem Finger.
Siris benutzte ihn nicht für seine verwundete Wange. Es war nur ein einfacher Schnitt, und das Heilen hatte schreckliche Nebenwirkungen. Beim Kampf gegen den Gottkönig hatte ihn das nicht interessiert. Er hatte dem Tod entgegengesehen. Doch nun lasteten die möglichen Auswirkungen schwer auf ihm.
Sein Feind studierte ihn einen Augenblick lang und hob dann das Schwert.
Jetzt geht es los , dachte Siris.
Sofort senkte die Kreatur ihre Waffe und zog etwas unter ihrem Mantel hervor – es war eine schmale, gefährlich aussehende Armbrust.
» Zur Hölle «, sagte Siris und warf sich zur Seite. Die Kreatur feuerte und hatte genau gezielt. Der Bolzen bohrte sich dort in Siris’ Oberschenkel, wo die Platten seiner Rüstung gegeneinander stießen. Er ächzte auf. Es war keinesfalls die Art und Weise, wie ein richtiges Duell ablaufen sollte.
Siris richtete sich auf, stolperte und zuckte zusammen. Er riss sich den kleinen Bolzen aus dem Schenkel, hob unbeholfen seine Klinge und versuchte den nächsten Angriff der Kreatur vorauszuahnen. Dabei spürte er, wie sein Bein taub wurde. Gift .
Die Hölle soll mich holen! Nun blieb ihm keine andere Wahl mehr. Er suchte hinter dem Thronpodest Schutz und benutzte den Ring.
Sofort setzte die Heilwirkung ein. Er spürte ein Brennen am Finger, als sich die Magie ausdehnte, und eine Schockwelle rannte durch seinen Körper. Seine Haut wurde feuchtkalt, als ob er sich mitten im Winter in einen eisigen Teich geworfen hätte.
Es dauerte nur einen Augenblick, und als er vorbei war, waren die Schmerzen verschwunden. Doch in diesem Augenblick waren ihm die Haupthaare bis auf die Schultern gewachsen, und nun hatte er einen Bart, während seine Wangen vorhin noch glatt gewesen waren. Auch die Fingernägel waren stark gewachsen.
Der Heilring beschleunigte seinen Körper auf eine seltsame Weise. Einerseits wurde ihm rasch geholfen – die Wunden verschorften sofort und wurden zu Narben –, andererseits machte es ihn um so vieles älter, wie es gedauert hätte, wenn die Verletzungen normal abgeheilt wären. Er schätzte, dass jede Benutzung des Ringes ihm etwa ein halbes Jahr seines Lebens nahm.
Er hob die Hand an den frisch gewachsenen Bart und erhaschte ein Spiegelbild seiner selbst in dem polierten Marmor des Thronpodests. Er hasste das Heilen. Je öfter er es einsetzte, desto … fremder wurden ihm seine eigenen Gesichtszüge.
Er spähte um die Ecke des ausladenden Throns. Der Attentäter
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