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Die Seele des Ozeans (German Edition)

Die Seele des Ozeans (German Edition)

Titel: Die Seele des Ozeans (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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zu.
    Straßenkünstler zeigten unter bunt gefärbten Herbstbäumen ihr Können. Kjell nahm sich Zeit für jeden Einzelnen, obwohl Fae seine Ungeduld spürte, und als er eine knurrige, alte Blumenverkäuferin entdeckte, die an einer Straßenecke ihre Ware anbot, ging er kurzerhand mit Fae im Schlepptau zu ihr und verwickelte sie in ein Gespräch über die Botschaft verschiedener Gewächse.
    Sein plötzlicher Wandel war erstaunlich. Keine Anspannung war mehr zu erkennen, keine Scheu oder irgendein anderes Unwohlsein. Er redete mit der Frau, als hätte er nie etwas anderes getan, hellte durch wenige Worte ihre Miene auf und ließ ihre Grimmigkeit schmelzen wie Eis in der Sonne. Zuletzt winkte ihnen die Frau voller Entzückung hinterher, als sie in Richtung des Museums weitergingen, und Kjell erwiderte die Geste, als verabschiede er eine gute Freundin.
    Oh ja, es funktionierte.
    Die Menschen schienen ihn als ihresgleichen anzusehen. Noch immer war Kjell von einer auffälligen Helligkeit. Noch immer lag ein verräterisches, silbriges Schimmern im Türkis seiner Augen, und die fließende, unwirkliche Anmut seiner Bewegungen konnte nichts kaschieren.
    Aber es funktionierte.
    Fae badete in der Aufmerksamkeit, die ihnen zuströmte. Jeder Sinneseindruck wurde zu einem Teil ihres Glücks, zu einem von vielen Gewürzen ihres neuen Lebens, und sie würde sich keiner Nuance dieser aufregenden Geschmackssymphonie verschließen.
    Allmählich hörte der Regen auf, die Wolken lichteten sich und gönnten der Stadt kurze Sonnenmomente, in denen alles wie ein Traumgebilde glitzerte und die Herbstbäume in hemmungsloser Farbenpracht leuchteten.
    Als sie auf der Mauer eines Springbrunnens saßen und ihren Apfelkuchen zu einem großen Teil an die Tauben verfütterten, drehte sich das Gespräch einer Gruppe Touristinnen nur um den Mann an ihrer Seite. Zwei japanische Männer fotografierten sie kurzerhand, ihre weiblichen Begleiterinnen versteckten sich hinter ihren Hüten und kicherten.
    Kjell schien es gleich zu sein. In aller Seelenruhe widmete er sich seinem Kuchen und zerpflückte ihn, um die Krümel der wartenden Taubenmeute zuzuwerfen. Dem ersten Apfelkuchenstück folgten ein zweites, das er aufaß, ohne den Vögeln etwas davon abzugeben, und schließlich ein drittes. Zwei Bedienungen kamen zu ihnen, während sie am Brunnen saßen, eine weiblich und eine männlich, und beide schienen einem seltsamen Zauber zu erliegen, der sich wie ein Schleier über ihr Gemüt legte.
    Kjell löste etwas in den Menschen aus, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Etwas, das keiner wirklich begriff. Manche schienen in staunende Verwirrung zu versinken, als hätte er einen Nerv berührt, von deren Existenz sie nichts gewusst hatten. Andere blickten ihm nach, den Blick von Wehmut verdunkelt, aber ein Lächeln auf den Lippen.
    Wie Menschen, die die Sirenen singen hören.
    Es gab niemanden, der nicht auf ihn reagierte, und sei es nur ein kurzes Zögern, ein verwirrtes Luftholen oder eine geflüsterte Bemerkung.
    Alle denken, er ist ein Mensch. Aber sie spüren, dass er anders ist. Sehr viel anders. Sie wissen es, ohne es zu wissen.
    Etwas Gespenstisches begann die Blicke zu überlagern, die auf ihnen ruhten. Fae fühlte sich wie ein Geist an der Seite eines Geistes.
    War das, was Kjell für diese Menschen ausstrahlte, auch auf sie übergesprungen? So, als wäre er die Sonne und sie der Mond, der ihr Licht widerspiegelte?
    Als sie das Museum erreichten, verspürte Fae eine Welle der Erleichterung, ohne zu wissen, weshalb. Auch dort drinnen gab es Menschen, die sie ansehen würden, und vielleicht würde das helle, kalte Licht des Museums Henrys Bemühungen zunichte machen.
    „Es wurde 1890 gegründet.“ Kjell blickte an der Fassade des historischen Gebäudes hinauf und zitterte vor Ungeduld. Was hatte ihn hierher gezogen? Irgendein Andenken aus seinem Leben? Vielleicht ein hinter Glas aufbewahrtes Geheimnis des Meeres? „Das Ulster-Museum zeigt spektakuläre Funde des 1588 gesunkenen Schiffes Girona .“
    Fae nickte. Aha, deshalb also.
    „Aber deswegen sind wir nicht hier“, fügte Kjell hinzu.
    „Nicht? Weswegen dann?“
    „Ich zeige es dir.“
    Sie traten in das hell erleuchtete Innere des Gebäudes, dessen futuristische Ausstattung einen starken Kontrast zum historischen Äußeren bildete. Obwohl alles in Weiß und Silber gehalten war – abgesehen von ein paar Sitzgelegenheiten aus schwarzem Leder – verbreitete die indirekte Beleuchtung eine

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