Die Seele heilen
wenigstens für einige Minuten am Tag spüren, dass es doch so etwas wie Harmonie geben konnte.
Klinikwechsel
Nach gut drei Wochen wurde ich in eine psychosomatische Klinik verlegt. Dort war die Therapie vielschichtiger und tat mir sehr gut. Kunst- und Bewegungstherapie, Gruppengespräche, gemeinsame Ausflüge – all das trug dazu bei, dass sich mein Horizont wieder erweiterte und ich wieder Augen für die Welt bekam. Da in der Klinik für alles gesorgt war, war ich frei von Verpflichtungen. Und weil die Ärzte bei mir keine Suizidgefahr sahen, durfte ich am Nachmittag die Klinik verlassen und hatte Zeit für lange Radtouren. So lernte ich langsam wieder, dass das Leben schön sein kann.
Gut für alle Beteiligten
Insgesamt war ich zehn Wochen in der Klinik. Im Nachhinein kann ich sagen, es war für mich und für meine Familie gut, dass ich stationär betreut worden war. Ich glaube, ich bin dadurch schneller wieder gesund geworden. Der räumliche Abstand von den häuslichen Pflichten und meiner Familie half mir dabei, wieder zu mir selbst zu kommen. Dadurch, dass ich nichts »musste«, hatte ich Raum, mich mit mir und meinem Leben zu beschäftigen. Ich konnte ausruhen. Durch die vielen Therapiegespräche lernte ich auch langsam, meine Probleme wieder aus einer realistischen Warte zu sehen, und das ließ sie schrumpfen.
Da die Klinik nicht allzu weit von unserem Wohnsitz entfernt war, konnte mich meine Familie immer wieder besuchen und ich durfte die Wochenenden zu Hause verbringen. Aber nach diesen Zusammenkünften war ich wieder unter der Obhut der Ärzte. Das tat meiner Familie genauso gut wie mir. Dadurch, dass ich die meiste Zeit in der Klinik war, mussten sie nicht ständig mit ansehen, wie mich die Depression beutelte. Sie waren nicht unablässig gefordert und konnten sich auch einmal von mir und meinen Problemen erholen. Wenn sie mich dann sahen, fiel es ihnen leichter, sich auf mich einzulassen.
PROF. HIMMERICH
Psychotherapie und/oder Psychopharmaka
Je nachdem, ob Sie an einer leichten, mittelgradigen oder schweren Depression leiden, wird der Arzt oder Therapeut zu unterschiedlichen Strategien bei der Behandlung raten. Hier ein kurzer Überblick zur grundsätzlichen Vorgehensweise in der Akutphase hinsichtlich des Schweregrades einer Depression.
Leichte Depression: Aufgrund der Tatsache, dass viele leichte Depressionen nach einiger Zeit auch ohne Therapie vergehen, kann in diesem Fall in Absprache mit dem Arzt oder Therapeuten zunächst auf konkrete psychopharmakologische oder spezifische psychotherapeutische Maßnahmen verzichtet werden. Das bedeutet aber nicht, nichts zu tun! Vielmehr wird für zwei bis vier Wochen ein aktiv-beobachtendes Abwarten, das sogenannte »watchful waiting« vereinbart, in dem Patient und Therapeut beobachten, wie sich die Symptome entwickeln. Ist die depressive Stimmung nach dieser Zeit nicht abgeklungen oder hat sie sich verstärkt, sind psychotherapeutische und/oder psychopharmakologische Maßnahmen angesagt.
Aber auch eine leichte Depression kann von Anfang an mit einem Antidepressivum und/oder durch Psychotherapie behandelt werden. Vertrauen Sie bei der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für spezifische Therapiemaßnahmen auf Ihren Arzt oder Therapeuten. Er kann aufgrund seiner Erfahrung, des Symptomverlaufs, aufgrund von Persönlichkeitsmerkmalen sowie aufgrund aktueller psychischer Belastungsfaktoren mit Ihnen zusammen die Entscheidung darüber treffen.
Mittelschwere Depression: Bei einer mittelgradig ausgeprägten Depression sollte mit einer Pharmakotherapie, also mit einer medikamentösen Behandlung, oder mit einer Psychotherapie begonnen werden. Die Entscheidung darüber werden Sie mit Ihrem Arzt oder Therapeuten besprechen. Teilweise wird die Entscheidung von der Verfügbarkeit einer Behandlungsmöglichkeit abhängen. Häufig haben Psychotherapeuten nämlich sehr lange Wartezeiten, sodass die Psychotherapie als Behandlungsmethode teilweise schwer zugänglich ist. Außerdem kann es sein, dass die ortsansässigen Psychotherapeuten bestimmte Psychotherapieformen nicht anbieten, weil sie keine entsprechende Spezialausbildung haben.
Auch Ihre eigenen Vorlieben können hier berücksichtigt werden. In jedem Fall sollte bei der Entscheidungsfindung schon im Vorhinein festgelegt werden, was zu tun ist, wenn mit der ausgewählten Behandlung keine Besserung eintritt.
Schwere Depression : Bei schweren, immer wieder auftretenden oder anhaltenden Depressionen ist eine
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