Die Seele heilen
arbeiteten wir dann heraus, dass mein Bild ein Zeichen dafür sein könnte, dass ich mich überlastete, weil ich glaubte, mehr Ressourcen zu haben, als mir zur Verfügung standen, und dass ich diese Überlastung nicht einmal merkte.
Auch aus der sehr gut geführten Gruppentherapie konnte ich jetzt einen Gewinn ziehen: Dadurch, dass mir die Gruppenmitglieder sagten, wie sie mich in der Gruppe erlebten, konnte ich wertvolle Einsicht in mein Verhalten gewinnen. Und durch die Kunsttherapie konnte ich mich auch auf eine neue Art meinem Problem nähern, nämlich nicht über Sprache, sondern über Bilder. Einmal sollten wir zum Beispiel aus Dutzenden von Karten jeweils eine heraussuchen, die für unseren Gefühlszustand während der Akutphase der Depression stand, und eine, die zeigte, wie wir uns jetzt auf dem Weg der Genesung fühlten. Ich kann mich heute noch genau an diese Karten erinnern. Meine erste Karte zeigte ein verwirrendes surrealistisches Bild, in dem nichts zusammenzupassen schien. Das zweite zeigte einen buddhistischen Mönch, der in akribischer Kleinarbeit meditativ ein wunderbar harmonisches Bild aus buntem Sand erstellte. – In der Depression war die Ordnung meiner Welt zersprungen und ich konnte mich darin nicht mehr zurechtfinden. Nun, in der Phase der Genesung, war es meine Aufgabe, geduldig zu versuchen, die verlorene Harmonie wiederzufinden.
SABINE WEHNER-ZOTT
Offenheit von Anfang an
Für die Wirksamkeit der Therapie ist Ihre Ehrlichkeit Voraussetzung. Es ist auch wichtig, dass Ihr Therapeut die ganze Wahrheit erfährt und Sie nicht aus Scham oder um eines guten Eindrucks willen etwas für sich behalten. Nur wenn der Therapeut sich ein vollständiges Bild von Ihrer Situation machen kann, kann er Ihnen auch helfen.
In der Akutphase der Depression brauchte ich mir über diesen Punkt überhaupt keine Gedanken zu machen. Ich hatte mein Problem, das drängte sich quasi von selbst über meine Lippen. Ich war auch gar nicht in der Lage, es irgendwie zu beschönigen. Als es mir aber besser ging und ich schon wieder ein bisschen rationaler denken konnte, schien mir manches, was mich so belastete, ziemlich banal und es war mir anfangs fast peinlich, darüber zu sprechen. Als ich dieses Gefühl einmal in einem Therapiegespräch in der Klinik äußerte, nahm mir der Therapeut diese Scheu, indem er mir versicherte, dass es bei der Psychotherapie nicht darum geht, die »Schwere« der Probleme, die ein Patient in seinem Leben hat, zu bewerten, sondern darum, welchen Einfluss diese Probleme auf das seelische Befinden haben. Meine Sorge, mich bei den Gesprächen mit dem Therapeuten zu »blamieren«, sei also unnötig. Man kann es also ruhig wagen, dem Therapeuten alles zu erzählen. Und nur so schafft man eine Situation, in der die Therapie Nutzen bringen kann.
PROF. HIMMERICH
Kognitive Verhaltenstherapie
Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) geht von der Grundannahme aus, dass unsere Kognitionen – also unsere Gedanken, Einstellungen und Bewertungen – und unser Verhalten erlernt sind. Dass all das erlernt ist, bedeutet aber auch, dass wir es wieder verlernen beziehungsweise durch »Gegenlernen« abbauen können. Dies gilt auch für die erlernten »Überzeugungen«, die an der Entwicklung einer Depression beteiligt sind. Ziel der KVT ist es, die erlernten Mechanismen zu erkennen und zu lernen, sich selbst besser zu kontrollieren und zu steuern.
Depressive Patienten fühlen sich beispielsweise häufig aufgrund ihrer Lebensgeschichte hilflos und dem Schicksal ausgeliefert, auch wenn dies objektiv nicht der Fall ist. Diese Denkweise wird als »erlernte Hilflosigkeit« bezeichnet.
Erlernte Hilflosigkeit
Der amerikanische Psychologe Martin E. P. Seligman beschrieb 1967 das Phänomen der erlernten Hilflosigkeit. Konkret hatte er in einem Labor folgendes beobachtet: Hunde, die Stromschläge erhielten – also einem unangenehmen Reiz ausgesetzt wurden – und dabei keine Fluchtmöglichkeit hatten, lernten offensichtlich, dass sie an der Situation nichts ändern konnten. Denn sie vermieden auch später die Stromschläge nicht, obwohl sie in einer neuen Untersuchungssituation hätten fliehen können; sie verhielten sich apathisch und hoffnungslos. Dieses Verhalten ist dem Verhalten von Depressiven ähnlich. Selbst in Situationen, die sie ändern könnten, bleiben sie antriebslos und resigniert. Die erlernte Hilflosigkeit bedeutet auf den Menschen übertragen, dass Individuen, die wiederholt die Erfahrung gemacht
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