Die Seele heilen
werden wollten. Wir steckten mitten im Umzug, Kisten mussten ausgepackt und Schränke eingeräumt werden. Dann waren Kinder und Haushalt zu versorgen und auch mein Wiedereintritt in den Schuldienst war vorzubereiten. Eigentlich schon wieder viel zu viel. Dazu, dass alles irgendwie gelang, trugen mehrere Dinge bei:
Meine Geschwister und einige Nachbarn leisteten praktische Hilfe. So räumten Fränzi und eine Freundin unserer Söhne einen ganzen Nachmittag lang mit mir die Küche ein und unsere Nachbarinnen Irene und Ingrid kochten anfangs manchmal für uns mit.
Die Kollegin, die mich in der Schule vertreten hatte, verwendete einige Stunden darauf, mir im Detail darzulegen, was sie während meiner Abwesenheit mit den Schülern gemacht hatte, sodass ich ein gutes Bild davon bekam, was mich erwartete.
Wir leisteten uns eine Putzfrau, sodass wenigstens einmal pro Woche Ordnung herrschte.
Meiner Therapeutin gelang es, mich davon zu überzeugen, dass eine mittägliche Ruhepause nicht egoistisch, sondern für mich gesundheitlich notwendig war.
Und meine Familie half im Haushalt mit.
Wir waren froh um jede konstruktive Unterstützung, denn der Wiedereinstieg in den Alltag kostete mich viel Kraft. Deshalb kann ich Angehörigen von Menschen, die an einer Depression litten, nur raten: Stellen Sie nicht zu hohe Erwartungen an den Genesenden und rechnen Sie damit, dass Ihre Mithilfe gefragt ist. Besser Sie packen gerade in der ersten Zeit mit an und verhindern so eine Überforderung des ehemaligen Patienten, die seine Gesundheit gefährden würde. Hüllen Sie den Genesenden aber nicht in Watte, sondern lassen Sie ihn die Dinge erledigen, die er tun will und kann. Denn es ist wichtig, dass er sich wieder in seinen Fähigkeiten erlebt und sieht, dass er etwas schaffen kann. Und wenn er sich schwertut, wieder in den Alltag hineinzufinden, dann helfen Sie ihm dabei, Aufgaben zu suchen, die er gut erledigen kann. Erinnern Sie ihn aber auch daran, Ruhepausen einzuhalten und sich nicht selbst zu überfordern.
Verhalten während der Therapiephase
Wenn die Akutphase einer Depression überstanden ist, wird der Erkrankte in einer Therapie weiter stabilisiert. Auch hier gibt es einige Verhaltenstipps für Angehörige oder Freunde, die allen Beteiligten helfen können, diese Zeit möglichst ohne zu großen Reibungsverlust zu bewältigen. Damit Sie die Therapiephase gut gemeinsam meistern, lesen Sie das Kapitel »Psychotherapie« in diesem Buch. Folgende Tipps können zudem hilfreich sein:
Werden Sie nicht ungeduldig: Therapie ist eine langwierige Angelegenheit. Der Therapeut wird unter anderem versuchen, mit dem Patienten
alte Verletzungen aufzuspüren und sich mit ihnen zu versöhnen,
unnötige Belastungen und ungünstiges Verhalten abzubauen,
neue Verhaltensweisen zu etablieren.
Das alles geht nicht von heute auf morgen. Gönnen Sie deshalb der von der Depression genesenden Person Zeit. Und loben Sie deren Fortschritte ehrlich, anstatt eine schnellere Gangart einzufordern.
Erwarten Sie nicht zu viel
Eine Therapie ist eine langfristige Angelegenheit und zeigt, wie schon mehrmals betont, nicht unbedingt sofort eindeutige, nach außen sichtbare Veränderungen. Erwarten Sie vor allem nicht, dass der Therapeut Ihren lieben Mitmenschen von sogenannten »Macken«, die Ihnen persönlich missfallen, »heilen« würde – nach dem Motto: »Kann dein Psychiater dir nicht endlich mal deine Schlampigkeit wegtherapieren?« Oder: »Jetzt redet ihr schon so lange über das Essen und du nimmst immer noch nicht ab!« Manche Charakterzüge lassen sich nicht »wegtherapieren« und das ist auch nicht das Ziel der Therapie. In der Therapie soll vielmehr erreicht werden, dass das Individuum wieder besser mit sich selbst zurechtkommt und sein Leben meistern kann.
Und außerdem ist Psychotherapie nun mal keine »Schönheitsoperation« der Seele, bei der ein Mensch so umgemodelt wird, dass er seiner Umwelt besser gefällt.
Fragen Sie nicht zu viel: Therapiegespräche können anstrengend sein und sie behandeln etwas sehr Privates. Oft muss man dann das Erarbeitete erst für sich sortieren. Es empfiehlt sich deshalb für Angehörige, nach einer Therapiestunde nicht zu fragen: »Und was habt ihr heute durchgenommen? Seid ihr schon weitergekommen?« Oder gar: »Und tut sich schon etwas?« Geeigneter sind Formulierungen wie: »Hat dir die Therapie heute gutgetan?« Wenn der oder die Betroffene aber nicht sprechen will, werten Sie das nicht als
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