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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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den kleinen Trampelpfad erreicht, der sich am Ufer des linken Regnitzarms entlangschlängelte. Saftiges Gras, Schafgarbe, Sauerampfer und Löwenzahn wuchsen am Wegrand; ein paar Kinder sammelten fleißig Grünzeug für die Stallhasen, die wohl jeder Bamberger Haushalt im Hinterhof hielt; ein bewährtes Zubrot für die kargen Wintermonate. Ein Entenpärchen wackelte geschäftig durch das hohe Gras, immer auf der Suche nach Schnecken, Würmern und anderen Genüssen. Schwärme von Mücken tanzten im Sonnenlicht. Die Regnitz floss träge dahin, der Wasserstand war nach dem heißen und trockenen Sommer niedrig. Zwei Schelchen und ein Lastkahn zogen gemächlich vorbei; nach dem Passieren der Oberen und Unteren Brücke würden sie am Kranen anlegen und ihre Güter abladen.
    Johanna und Thea setzten sich ins warme Gras und sahen auf den Fluss hinaus. Am anderen Ufer erhob sich wie eine düstere Trutzburg der Geyerswörth, und der Gedanke, dass darin der Fürstbischof vielleicht schon die nächsten Todesurteile unterzeichnete, ließ Johanna frösteln. Ihr Blick schweifte flussabwärts zum Rathaus mit seiner buntbemalten Fassade und dem Fachwerkvorbau. Wie ein steinernes Schiff teilte es das Wasser und sah aus, als wolle es jeden Augenblick davonsegeln. Wie viele Räte und Bürgermeister waren hier ein- und ausgegangen, und heute waren sie nichts als verstreute Asche. Sie warf einen Seitenblick auf Thea, die mit einem versunkenen Lächeln dasaß und die vorbeiziehenden Wölkchen am blauen Himmel betrachtete. Sie wirkte irgendwie anders als sonst, fraulicher, reifer.
    »Du«, meinte Thea schließlich, »ich muss dir was sagen, was Schönes.«
    »Erzähl!« Hanna richtete sich kerzengerade auf.
    Theas Augen leuchteten; sie breitete in überschwänglicher Freude die Arme aus. »Ich bin schwanger, endlich! Ach, du glaubst gar nicht, wie glücklich ich bin! Und der Heinrich erst! Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab, besteht darauf, dass ich jeden Tag rohe Leber esse, bäh! Und gebratenes Kalbshirn mit Ei, damit das Kind auch klug wird. Ich darf schon gar nichts Schweres mehr tragen, dabei sieht man ja noch nicht einmal etwas. Es ist ja erst der zweite Monat.«
    Johanna umarmte Thea und drückte sie ganz fest. Ein kleines Glück in dieser schweren Zeit, schoss ihr durch den Kopf, das tut uns allen gut. »Ich freu mich so für dich! Siehst du, ich hab’s dir ja immer gesagt, es dauert einfach seine Zeit. Und ich will unbedingt Dot werden, das weißt du ja!« Ein bisschen wehmütig dachte sie daran, dass sie, die Ältere, immer noch kinderlos war, geschweige denn einen Mann hatte. Aber dann überwog die Freude über den baldigen Nachwuchs in der Familie. »Was wünschst du dir denn?«, fragte sie. »Einen Buben oder ein Mädchen?«
    »Ei, der Heinrich wünscht sich natürlich einen Erben, aber ich glaub, ich möchte lieber ein Mädchen, weißt du, so ein braves, liebes Ding mit Löckchen, das ich mit Schleifen und Kleidchen schmücken kann wie eine kleine Puppe. Der ich alles im Haushalt beibringen kann, und die mit mir tanzt und singt. Einen Namen hab ich mir auch schon überlegt: Ursula. Weil die doch die Allerschönste unter den Heiligen war.«
    Johanna lachte. »Na, wart erst mal ab, damit du dann nicht allzu enttäuscht bist, wenn es doch ein Bub wird. Mir ist jedenfalls als Patenkind beides recht.«
    »Aber ich hab so ein Gefühl«, beharrte Thea. »Und außerdem sagt man, wenn Mann und Frau bei der Zeugung, na ja … du weißt schon, dann wird’s ein Mädchen.« Sie wurde ein bisschen rot. Und Johanna dachte mit einem Anflug von Bitterkeit, nein, ich weiß eben nicht. Die Erinnerung an die enttäuschende Nacht mit ihrem frühern Verlobten stieg in ihr hoch und versetzte ihr einen kleinen Stich. Doch dann tauchte, wie so oft, Cornelius’ Bild vor ihr auf, und sie ertappte sich dabei, sich vorzustellen, wie eine solche Nacht mit ihm verlaufen wäre. Ein kleiner, wohliger Schauer jagte über ihren Rücken.
    Sie riss sich von ihren Gedanken los. »Hast du’s dem Vater schon geschrieben?«, fragte sie.
    »Nein, das wollte ich heut Abend machen. Und sag bitte dem Toni noch nichts, ich will ihm die Neuigkeit selber erzählen.«
    Johanna nickte. »Ich schick ihn dir morgen Nachmittag vorbei, wenn er aus der Schule von den Jesuiten kommt. Na, der wird Augen machen, wenn er erfährt, dass er Onkel wird!« Sie lachten. Dann redeten sie noch lange, über Kinder, Geburt und Mutterschaft, über das, was die Zukunft wohl bringen

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