Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Die beiden brachen in wieherndes Gelächter aus. Schließlich lachte auch Johanna mit, bis ihr die Tränen kamen.
Cornelius setzte sich auf und streckte beide Hände aus. Toni und Johanna griffen je eine und zogen ihn hoch, immer noch lachend. Dann trollte sich Toni, um seine Arbeit in der Offizin zu erledigen.
»Schaut ihn Euch bloß an, den ehrenwerten Herrn Physikus!«, stichelte Hanna. »Den Talar voller Staub, die Mütze im Taubendreck und ein Riss im Hemd! Wenn dich deine Patienten so sehen könnten, die würden alle zu Doktor Eberlein rennen … «
»Jungfer Wolff«, prustete Cornelius, »habt Ihr sonst noch etwas zu sagen?« Er klopfte sich den Staub aus den Kleidern, und Hanna half ihm dabei. Sie zupfte Zweiglein und trockene Blätter von seinem Rücken, bis ihr plötzlich klar wurde, was sie da tat. Wie vertraut er ihr war. Sie hielt inne.
Cornelius spürte ihre Befangenheit und trat schnell einen Schritt von ihr weg, was ihm im selben Augenblick schon wieder leidtat. Eigentlich, dachte er, hätte ich sie jetzt in die Arme nehmen und küssen sollen. Aber er hatte es nicht getan. Immer noch fürchtete er, dass die schlimme Stunde im Hexenhaus nicht vergessen war. Er wagte es einfach nicht, das aufs Spiel zu setzen, was seit Hannas Rückkehr aus Amsterdam zwischen ihnen gewachsen war: Freundschaft, Vertrauen, die gemeinsame Freude an der Medizin …
Hanna wurde ein bisschen rot und drehte sich weg, damit er es nicht sah. Wieder wurde ihr bewusst, wie sehr sie sich wünschte, von ihm begehrt zu werden. Aber er, er wollte wohl nur Freundschaft und gute Zusammenarbeit, wie es eben zwischen Arzt und Apotheker üblich war. Schließlich hätte er mehr als genug Gelegenheit gehabt, ihr etwas näher zu kommen. Oder war sie ihm gegenüber vielleicht doch zu spröde? Vielleicht glaubte er ja immer noch, dass sie ihn wegen seiner Suche nach dem Hexenmal nicht wollte? Wie konnte sie ihm zeigen, dass das für sie nicht mehr wichtig war?
Beide standen sie da und wussten nicht, was sie sagen sollten. Gott sei Dank kam in diesem Augenblick Toni wieder, einen großen Ring frischer Leberwürste in der Hand, den er triumphierend hochreckte. »Grade hab ich einem Bauer von der Altenburg drei Flaschen von Vaters Wermuttropfen verkauft. Die hat er mir dafür gegeben!«
Johanna nickte anerkennend, und Cornelius schleckte sich gierig über die Lippen. »So gut werde ich nie bezahlt«, maulte er.
Sie schlug ihn scherzhaft gegen die Brust. Die Verlegenheit zwischen ihnen war wieder verflogen. »Wenn du willst, kannst du zum Abendessen bleiben. Die Veronika wollte ohnehin vorbeikommen, und der Toni könnte noch dem alten Michel vom Zinkenwörth Bescheid sagen, der mir immer das Holz hackt. Die Würste müssen schließlich weg.«
Sie wandte sich zu ihrem Bruder um. »Lauf zum Michel, ja? Und heimwärts gehst du beim Schwartzmann vorbei und bringst einen großen Krug Bier mit.« Toni trabte bereitwillig davon. »Und bind dir ein Wolltuch um«, rief sie ihm nach, »du weißt schon, das ist gut für den Hals!« Antoni wurde seit seiner Operation leicht heiser, und es war inzwischen recht kühl geworden. Aber wenn man ihn nicht ständig an sein Tuch erinnerte …
Hanna seufzte. Sie war so glücklich, dass ihr Bruder noch lebte. Dankbar nahm sie Cornelius’ Hand und drückte sie. »Ich kann dir das nie vergelten, was du für den Toni getan hast … «
Cornelius nahm all seinen Mut zusammen. Er behielt Hannas Hand in seiner und zog sie an sich. »Vielleicht doch«, sagte er leise und fuhr sanft mit der Spitze seines Zeigefingers ihren Hals entlang. Sie spürte seinen Arm auf ihrem Rücken durch den dünnen Stoff ihres Kleids. O Gott, ja, küss mich, dachte sie, und ihre Knie wurden ganz weich.
Aber da klapperte es an der Apothekentür, und Veronika Junius’ Stimme ertönte. »Hanna? Toni? Seid ihr da? Lasst ihr immer die Tür so sperrangelweit offen?«
Cornelius ließ Johanna los. »Auf zu den Leberwürsten«, sagte er rau.
Es wurde ein lustiger Abend, nicht zuletzt weil der alte Michel ein unterhaltsamer Geschichtenerzähler war und einen Schwank aus seiner Jugend nach dem anderen zum Besten gab. Sogar Veronika, die nach dem Tod ihres Vaters meist traurig und niedergeschlagen war, vergaß ihren Schmerz und war beinahe so fröhlich wie früher. Doch Johanna und Cornelius hatten keine Gelegenheit zum Alleinsein mehr, und als die Gäste sich verabschiedeten, musste auch Cornelius wohl oder
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