Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
machen sich nit nur allhier zu Bambergk, sondern überall, wo man Hexen verprennet, in unserm Orden breit.
Das Collegium hat nun Kenntniß von Schrifften der Gesellschaft Jesu, die fordern, solche Hexen-Processe nit mehr auf grundt von Denunciationes durchzuführen, sondern nur nach Vorzeygen von greiffbaren Beweisen. Solches schreibt nit allein unßer ehrwürdiger Bruder Adam Tanner, einer der beßten Köpff unsers Ordens, sondern auch andre, gewichtige Patres. Es soll auch schon ein Ersuchen an die Sacra Rota Romana ergangen seyn, sich zu den Processen zu äußern. Denn wer, wenn nit die höchste Rechts-Instanz des Heiligen Stuhls, kann wol beßer über solche Dinge urtheylen? Aber so lange kein einheytliche Meinungk in der Bruderschafft ist, dürfen auch wir nit eingreiffen. Unßer Rector, der ehrwürdige Joachim Hammann hat aber etlich Schreiben versandt, in denen er um die Meinungk der andren teutschen Collegien bittet. Gott gebe unß die Krafft und die Klugheyt, das Rechte zu thun.
Item es herrschet in der Stadt auch beßondere Unruh, weil der Teuffel nit nur einfache Leutt zu seinem Wercke mißbraucht, wie man meynen möcht, da selbige doch leichter zu verführn wären. Sondern er suchet sich grade die Rechtschaffenen, Fürnehmen, Ehrbaren, und dieße Menschen hohen Stands erliegen seinen Einflüßterungen. Mit Doctor Gg. Haan dem Sohn ist vor zweien Tagen nun auch die gantze Familie des Canzlers hingerichtet. Das Hauß zum Roten Schildt in der Judengasse, das ihnen gehört hat, wurde heut, wie man sich ertzält, von einem der hohen Malefizcommissäre gekaufft.
Item auch vor Kindern machet der Satan nicht Haltt. Bishero das jüngste war beim letzten Brandt ein Mädchen Marie Reußin, ist sampt irer Mutter und dem Großvater zu Aschen verprennt worden. Ihr Mutter hat gestanden, das Kindt sey ein Wechselbalgk, gezeugt mit dem Teuffel alß Incubus, der in der Osternacht zu ir kommen sey. Der Großvatter, ein Pfeiffer, hat sich unter der Marter gerühmet, auf siebzehen Hexen-Täntzen gespielt zu haben, er hett dabey auf eim Pferde-Schädell geblaßen.
Letzthin ißt auch in Anweßen dreier Patres auß dem Collegium ein Exortzißmus vorgenomen worden, was hier zu landt langk nit mehr geschehn. Es hieß, ein junges hüpsches Weib von Kitzingen sey vom Satan beseßen, weßwegen sie machen könnt, daß den Männern, die sie anrühren, die Männlichkeyt schwindet. Ihr Name war Susanna Elisabetha Helmbrechttin. Die gut christliche Ceremonie fandt auf Geheiß des Fürßtbischofs selber statt, und ward gehaltten in der Newen Residentz, weil die Nähe des Doms mit den Heyligengräbern dem Lucifer nit angenehm ankommt. Der Weihbischoff höchstselbst hieltt das Ritual ab. Zu Anfangk blieb das Weib gantz ruhig und lag wie wenn sie schlieffe. Doch dann begann es in ihrem Bauche zu rumpeln und zu rumorn,
und endtlich, nach vilen Gebeten und Gesängen, entfuhr ihr der Teuffel mit großem Getöße und Gestanck. Laus deo in aeternam. Die so Geheilthe küßte unter vilen Tränen dem Weihbischoff die Hände und pries den herrlichen Gott, Vater, Sohn und Heyligen Geist, mit hohen und guthen Lobeswortten. Noch am selben Tage schickt man sie zu den Dominickanerinnen, damit sie ir Leben in christenlicher Gesinnungk Gott zu Gefallen weitter füre.
Alßo gehn die Zeitläufte zu Bambergk, und das Collegium verhoffet, daß die Dingk in Zuckunft beßer werden möchten.
April 1628
In den ersten Tagen brachte Johanna kaum die Kraft auf, ihre Schlafkammer zu verlassen. Dorothea war gekommen, hatte ihr unter Tränen den Schmutz abgewaschen, sie in saubere Kleider gesteckt und ihr eine halbe Schüssel Hühnersuppe eingeflößt. Erzähl, was sie dir getan haben, hatte sie gesagt, aber Johanna war stumm geblieben. Sie konnte den Schrecken nicht in Worte fassen. Wie hätte sie die Todesangst beschreiben sollen, die über sie gekommen war? Wie die Zweifel, die an ihr nagten? Die Unsicherheit? Jemand hatte sie der Hexerei bezichtigt. Sie war sich keiner Schuld bewusst, aber – war sie wirklich unschuldig? Konnte es nicht sein, dass Satan sie verführt hatte, ohne dass es ihr bewusst war? Dass sie sich nicht an den Teufelspakt erinnern konnte, weil Luzifer ihren Geist trübte? Dass sie in Hexengestalt Untaten verübte, während ihr Körper schlafend im Bett lag? Vielleicht glaubten sich deshalb alle Angeklagten unschuldig und waren es doch nicht? Der Teufel war schließlich ein Meister im Betrügen, Vorgaukeln, Täuschen. Sie hatte gar nichts mehr
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