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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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eingedenk, hob sie das Kinn und straffte die Schultern, während sie den Obstmarkt und die Lange Gasse überquerte.
    Am Schönen Brunnen standen wie immer die Frauen beisammen, um Klatsch und Neuigkeiten auszutauschen. Johanna kannte etliche von ihnen: Da war die neue Kannengießerin vom Stephansberg, dann die Martha Spießin, Weinhändlerin in der Siechengasse, von der sie schon das ein oder andere Fässlein gekauft hatte, die bucklige Strohschneiderin vom Ziegelanger, die oft altes Schmalz von ihren Gänsen zur Salbenherstellung brachte. Eine der Frauen sah sie kommen und begann sofort, mit den anderen zu tuscheln. Johanna nickte ihnen grüßend zu, aber nur eine, die Spießin, grüßte halbherzig zurück. Dann steckten sie wieder die Köpfe zusammen.
    Johanna senkte den Blick und ging am Brunnen vorbei zu den Marktständen. Beim ersten Händler kaufte sie eine Scheibe Salz. Der Mann war von auswärts und kannte sie nicht. Freundlich wechselte er ein paar Worte mit ihr, dann ging sie weiter. Bei der Heringsfrau erstand sie zwei Pfund sauer eingelegten Fisch, die Alte beäugte sie misstrauisch, holte ihr aber das Gewünschte aus der hölzernen Tonne. Sie nahm das Geld, und als Johanna sich abwandte, bekreuzigte sie sich hastig. Johanna biss sich auf die Lippen und trat an den nächsten Stand.
    »Grüß Gott, Margaret. Einen Krautskopf und fünf Zwiebeln hätt ich gern.« Sie lächelte und hielt der Marktfrau ihren Korb hin.
    »Wir verkaufen nichts an Hexen.« Die Gärtnerin aus der Theuerstadt blickte sie feindselig an.
    Johanna erbleichte. Seit Jahren kaufte sie hier ihr Gemüse, und immer hatte die Margaret Zeit für einen kleinen Plausch gehabt. »Glaubst du wirklich, dass ich eine Drud bin, Marga?«, fragte sie leise. »Man hat mich als unschuldig entlassen.«
    »Der Teufel hilft den Seinen«, gab die Frau zurück. »Schau, dass du weiterkommst, Johanna Wolff, oder ich lass den Hund los!« Sie deutete auf einen struppigen braunen Köter, der am Stand angekettet lag und jetzt den Kopf hob und knurrte.
    Johanna ging. Es war ein Fehler, dachte sie, wär ich doch bloß zu Haus geblieben. Am liebsten wäre sie jetzt gleich heimgerannt, doch dann beschloss sie, sich zusammenzureißen. Nein, sie würde nicht klein beigeben. Sie hatte sich nichts vorzuwerfen. Sie würde ihre Einkäufe erledigen und dann erst nach Hause gehen.
    An einem anderen Stand verkaufte man ihr schließlich Kraut und Zwiebeln. Die ganze Zeit über spürte sie die Blicke der Leute in ihrem Rücken. Jeder ihrer Schritte wurde beäugt, alles, was sie tat, genau beobachtet. Sie versuchte, ein munteres Gesicht zu machen, aber ihr Lächeln war starr und künstlich. Ihr Blick fiel auf den Pranger vor der Alten Maut. Ein junger Mann war dort angekettet, Hals und Handgelenke in einer Schandgeige. Ein Ohr war blutverkrustet; der Büttel hatte ihm den Ohrring, das Kennzeichen des Handwerksgesellen, herausgerissen, weil er seiner Zunft Schande gemacht hatte. Er war seines Vergehens überführt, würde für ewig ein Schlitzohr sein. Aber niemand nahm Notiz von ihm. Alle starrten nur Johanna an, die doch nichts verbrochen hatte. Sie haben Angst vor mir, dachte sie.
    An der Eierbude blieb sie ein letztes Mal stehen. »Willst du mir auch nichts verkaufen, Barbara?«, fragte sie.
    »Ei freilich geb ich dir was, Johanna«, gab die Alte zurück.
    »Du glaubst also nicht, dass ich eine Zauberin bin?«
    Die Eierfrau kicherte verschmitzt. »Weiß ich’s? Ja, die Leute sind dumm, aber die Eier-Bärbel ist schlau! Bist du keine Drud, warum sollt ich dir dann nichts geben? Bist du eine, würdest du mir bestimmt die Krätze anhexen oder Schlimmeres, weil ich dich schlecht behandelt hab. Also, was willst du haben?«
    Johanna schloss die Augen. Am liebsten wäre sie weitergegangen, aber sie brauchte die Eier. »Ein Dutzend große hätt ich gern«, sagte sie, »und einen Laib Käse.« Sie bezahlte und machte sich dann endlich auf den Heimweg.
    Sie zwang sich, nicht zu schnell zu gehen, auch wenn die Leute sie mit Blicken verfolgten. Einige wichen ihr aus, nur einer nickte ihr freundlich zu. Es war der alte Vitus, ein Pfründner vom Antoni-Spital, der altersschwach hinter seinem Stock herzitterte. Vermutlich wusste er nicht einmal, was für ein Tag heute war.
    Als sie den Obstmarkt erreichte, sah sie ihn. Er kam ihr entgegen, die Schreibmappe unter dem Arm. Ihr erster Impuls war, auf ihn zuzugehen, aber stattdessen verlangsamte sie nur den Schritt. Dann bemerkte er sie. Sie

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