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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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öffnete den Mund, wollte seinen Namen sagen. Einen Augenblick lang sahen sie sich an, und dann wusste sie, was geschehen würde. Bitte, tu mir das nicht an, dachte sie. Das kannst du mir doch nicht antun. Er senkte den Blick. Und während sie wie gelähmt dastand, wechselte Hans auf die andere Straßenseite und ging mit gesenktem Kopf an ihr vorbei.

    Sie wusste nicht mehr, wie sie den Weg zur Apotheke hinter sich gebracht hatte. Mit zitternden Händen stellte sie den Korb auf den Stubentisch. Dann band sie Schürze und Haube ab, ging nach oben in ihre Kammer und kroch ins Bett. Jetzt endlich konnte sie weinen.

    Am nächsten Morgen, als Abdias Wolff die Apothekentür aufsperrte, um das Pflaster zu fegen, fand er einen fünfzackigen Drudenfuß mit roter Farbe auf die steinerne Schwelle gezeichnet.
    »Druten-Zeitung«, gedruckt als Flugblatt 1628 in Nürnberg
Verlauff / was sich hin und wider im Frankenland / Bamberg und Würtzburg mit den Unholden / und denen / so sich aus Ehr und Gelt Geitz muthwillig dem Teuffel ergeben / auch wie sie zuletzt ihren Lohne empfangen haben / gesangweis gestellt / im Thon / wie man die Dorothea singt:
 
Es wird einmal auffwachen
der Richter unser Gott,
vor der Welt zschanden machen
die zauberische Rott,
die sich mit Leib und Seele
dem Teuffel freventlich ergibt,
und fehrt darumb zur Hölle
immer und ewiglich.
 
Ein Wirthin so man nennet
Großköpffin zu der Frist,
zu Bamberg hat mans verbrennet.
Ihre Bekendtniß ist,
daß sie hab solln erfroren
Korn und Wein diß Jahr,
solchs dem Teuffel zu Ehren,
zu leyd der Armen Schaar.
 
Viel Leut hab sie tractieret
mit dieser Speiß gemein:
Mäuse tat sie serviren
wie gute Vögelein.
Ein Katz offt für ein Hasen
bracht sie wol auf den Tisch.
Die Gäste gar gern assen
Raupen für kleine Fisch.
 
Zu Bamberg ward gebauet
für die Hexen ein Hauß.
Den Druden davor grauet.
Ein Tortur überauß
hat man darein gesetzet.
Müssen bekennen frey
wen sie haben verletzet
mit jhrer Zauberey.

Mai 1628
    Die Leute sind ganz durcheinander vor lauter Angst.« Dorothea rupfte mit der behandschuhten Hand junge Brennnesseln und stopfte sie in den Sack, den ihr Johanna hinhielt. »Vorgestern Abend war der Hexenkommissar Vasold in der Wirtschaft und hat so lang gesoffen, bis er vom Stuhl gekippt ist. Dabei ist ihm ein Zettel aus der Jackentasche gefallen, mit lauter Namen von Besagten drauf. Immer hat er damit gedroht, dass er solch eine Liste angelegt hat, aber niemand hat sie bisher gesehen. Jetzt wissen alle Bescheid. Sieben sind schon über Nacht geflüchtet, es heißt, nach Nürnberg. Ein paar andere sind von der Stadtwache abgefangen worden, als sie im Dunkeln über die Mauer wollten. Die Walburga Stadelmännin hat einer gesehen, wie sie in einen der Keller am Kaulberg gestiegen ist, und seither ist sie verschwunden. Nur der lahme Severin vom Siechhaus, der ist als Einziger von allen auf der Liste noch da.«
    Johanna richtete sich auf und sah durch den Apothekersgarten zum verlassenen Häuschen der Reuß hinüber. »Wo soll das alles bloß enden?«, murmelte sie.
    »Der Heinrich sagt, das Reichskammergericht zu Speyer hat dem Fürstbischof ein Mandat zugestellt. Es mahnt aber nur zur Vorsicht und rät, die Prozessordnung der Bambergischen Gerichtsordnung gut einzuhalten. Vielleicht hilft das. Die Räte hoffen es jedenfalls alle. Immerhin ist das Kammergericht die höchste Gerichtsbarkeit in Deutschland.«
    »Manchmal wünscht ich mir, ich könnte den Bambergern eine Arznei brauen, die alle wieder zur Vernunft bringt, vom Fürstbischof angefangen über die Hexendoktoren bis zu den einfachen Leuten, die überall den Teufel sehen.« Johanna band den Sack zu. Ein Windstoß bewegte die beiden Flügel des Holztors, das vom Garten nach draußen auf eine Seitengasse führte.
    »Hat der Toni schon wieder vergessen, den Balken vorzulegen«, meinte Dorothea.
    »Ich geh schon und sperr zu.« Johanna ließ den Sack stehen und lief durch die Kräuterrabatten auf das Tor zu. Einer der Flügel schwang ganz auf. Johanna blieb wie angewurzelt stehen, ihrer Kehle entfuhr ein erstickter Schrei.
    Da hing Butz, der Kater. Das, was von ihm übrig war. Angenagelt hatten sie ihn und dann mit großen Flusskieseln gesteinigt. Unten auf der Erde lag noch ein Haufen der heruntergefallenen Brocken; an den Holzlatten führte eine eingetrocknete Blutspur zum Boden.
    Johanna schlug die Hände vors Gesicht. Es hörte nicht auf. Jeder wusste, dass Butz ihr Kater

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