Die Seelenburg
nach einer Weile.
»Genug Erfreuliches, Fräulein…«
»Mein Name ist Jane Collins.«
»Das klingt englisch.«
»Ich komme auch aus London.«
»Dann habe ich Sie bei der Beerdigung gesehen«, sagte Gordon Schreiber.
»Ja.«
»Wollen wir nicht Platz nehmen, Miss Collins?« Gordon Schreiber sprach englisch. »Mein Großvater mütterlicherseits stammte aus Schottland, deshalb auch der Vorname Gordon«, sagte er und deutete auf eine Sitzgruppe aus bestem Antilopenleder.
Jane nahm im Sessel Platz, so kam der Mann wenigstens nicht in Versuchung, sich neben sie zu setzen.
Er blieb noch stehen.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« erkundigte er sich.
»Wenn Sie einen trockenen Martini hätten, wäre ich Ihnen sehr verbunden«, erwiderte Jane.
»Aber natürlich, Miss Collins.« Das Lächeln des Mannes fiel knapp aus.
Er bewegte sich selbstbewußt auf einen kleinen Barschrank zu, der auf Knopfdruck hin ausfuhr.
Die Bar befand sich zwischen den hohen, mit Büchern vollgestopften Regalen. Gordon Schreiber hatte hier eine große Büchersammlung zusammengestellt. Leider war es zu dunkel, um die Schrift auf den einzelnen Buchrücken lesen zu können.
Mit zwei Gläsern kam der Mann zurück. »Sogar Oliven habe ich aufgetrieben«, sagte er und reichte Jane ein Glas, wobei er sie abschätzend musterte.
Wieder durchfuhr es Jane. Dieser Mann war perfekt und berechnend.
Von beidem wurde Jane abgestoßen, und irgendwie fürchtete sie sich.
Das kam nicht so oft vor, doch hier war es der Fall. Sie spürte, daß sie diesem Mann nicht gewachsen war, und verkrampfte selbst innerlich.
»Cheers«, sagte Gordon Schreiber und nahm einen Schluck. Bis zur Hälfte leerte er das kleine Glas.
Jane nippte nur.
Schreiber setzte sich und zog seine Hosenbeine ein Stück höher. Er legte den Arm auf die Couchrückenlehne und sagte: »Es tut mir leid, was da mit Celine Wald passiert ist. Sie war eine wirklich nette Person.« Jane glaubte ihm kein Wort. Im gleichen Tonfall hätte er auch über die Joghurtpreise sprechen können. Da klang kein Mitleid aus der Stimme.
Schreiber war eiskalt, durchtrieben, ein perfekter Schauspieler. Und er strahlte eine so starke Selbstsicherheit und Arroganz aus, daß sich Jane Collins in seiner Nähe unwohl fühlte. Das sollte bei ihr schon etwas heißen, normalerweise ließ Jane sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen, sonst hätte sie ihren Beruf überhaupt nicht ausüben können.
Sie nahm noch einen kleinen Schluck. Der Martini war sehr trocken und schmeckte ein wenig bitter. Jane hatte sich entschlossen, einen Bluff zu starten. Sie mußte Gordon Schreiber aus der Reserve locken.
»Wie ich hörte, ist Celine Wald ermordet worden«, stellte sie in sachlichem Ton fest.
Auch jetzt blieb der Mann gelassen. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. »Wer sagt das?«
»Die Polizei.«
Schreibers Augen bogen sich in die Höhe. »Die Polizei? Habe ich Sie da richtig verstanden?«
Jane lächelte und nickte.
»Das kann ich nicht glauben, Miss Collins.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, es war ein Unfall.«
»Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Dieselbe Polizei, die Ihnen weismachen wollte, daß meine Sekretärin ermordet worden ist«, erwiderte der Großindustrielle lässig. »Die Beamten müßten sehr schnell ihre Meinung geändert haben. Ich habe heute noch mit ihnen telefoniert. Wahrscheinlich sind Sie einem Gerücht aufgesessen, Miss Collins.«
»So etwas behauptet man nicht einfach.«
Schreiber hob die Schultern. »Wissen Sie den Namen Ihres Informanten?«
»Nein.«
»Schade, man hätte ihn selbst fragen können.«
Jane durchschaute das Spiel sofort. Hätte Schreiber den Namen gewußt, dann wäre die Person wohl nicht mehr sehr lange am Leben geblieben. Eine simple Rechnung.
»Wie es aussieht, Miss Collins, haben Sie den Weg von London in die Schweiz umsonst gemacht. Die Beerdigung war fast vorbei, da sind Sie mir ja schon aufgefallen.« Ein scharfer, irgendwie abschätzender Blick traf Jane. »Sagen Sie, Miss Collins, was sind Sie eigentlich von Beruf? Ich frage da aus bestimmten Gründen.«
Jane hatte sich bereits eine Antwort zurechtgelegt. »Ich arbeite bei der Stadt London.«
»Und was tun Sie da?«
»Nun, ich bin selbstständige Sachbearbeiterin für Wohnungswesen. Kein aufregender Job.«
»Dann lieben Sie Aufregung?«
»Sagen wir Abwechslung.«
»Die hätten Sie bei mir«, stellte Gordon Schreiber fest.
»Wieso?«
»Celine Wald ist tot, daran gibt es nichts mehr zu rütteln.
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