Die Seelenburg
Gordon Schreiber.
»Ja, es ist sehr nett.«
Der Fabrikant lachte. »Sie brauchen nicht zu sagen, daß es Ihnen gefällt. Der Geschmack ist verschieden, und es ist nicht jedermanns Sache, in einer alten Burg zu wohnen.«
»Ich bleibe ja nicht immer hier.«
»Das stimmt, Miss Collins. Ich lasse Sie jetzt allein und erwarte Sie dann später zum Dinner, um Sie mit meinen wirklich sehr netten Gästen bekanntzumachen.«
»Danke.«
Gordon Schreiber nickte ihr noch einmal zu und verließ das Zimmer. Als er die Tür geschlossen hatte, ließ sich Jane auf die Bettkante fallen und schlug beide Hände vor ihr Gesicht.
Jetzt, wo sie allein hier war, begann das Nachdenken. Und sie fragte sich, ob sie wirklich richtig gehandelt hatte, als sie den Job annahm. Vor allen Dingen ohne Rückendeckung. Es wußte ja niemand, wo sie sich befand. Man konnte sie hier spurlos verschwinden lassen, und kein Hahn würde nach ihr krähen.
Jane Collins war wirklich nicht überängstlich, aber in diesem Fall erschien es ihr doch besser, daß jemand wußte, wo sie sich aufhielt. Das moderne Tastentelefon stand direkt neben dem Bett. Sie hob den Hörer ab und hoffte, daß sie nach London durchwählen konnte.
Kein Ton drang aus dem Hörer. Da sah Jane den hellen Knopf auf dem Telefon.
Diener Lukas meldete sich. »Sie wünschen bitte?«
Jane hatte die Telefonnummer schon auf der Zunge, sagte sie aber nicht, weil sie plötzlich das Gefühl bekam, abgehört zu werden. Das machten die bestimmt.
»Entschuldigung«, sagte sie, »aber ich wollte nur ausprobieren, ob der Apparat in meinem Zimmer auch funktioniert.«
»Natürlich, Fräulein Collins.« Lukas unterbrach die Verbindung. Jane lehnte sich zurück. Dieses Zimmer, so prächtig es auch eingerichtet war, machte ihr Angst.
Gerne hätte Jane ein Bad genommen. Sie traute sich nicht. Hier war ihr alles zu fremd, zu seltsam, und sicherlich würden diese Gäste, denen sie noch vorgestellt wurde, auch nicht gerade zu ihren Freunden zählen.
Jane erhob sich und schritt im Zimmer auf und ab. Sie durchquerte den Raum, blieb vor dem Bett stehen, drehte sich um und ging bis zur Tür.
Dabei fiel ihr Blick auf ein großes Ölgemälde, das neben der Tür hing.
Es zeigte einen Krieger in Ritterrüstung, von dem allerdings nur der Oberkörper bis zur Hüfte zu sehen war. Der Brustpanzer wölbte sich vor.
Das Bild hing ziemlich im Schatten, weil das einfallende Licht vorbeistrich.
Und doch sah Jane das Gesicht genauer. Vielleicht weil sie öfter auf das Gemälde zuging.
Die Augen fielen ihr auf.
Und davon besonders das rechte.
Irgend etwas war damit.
Jane blieb dicht vor dem Bild stehen und schaute genauer nach. Das linke Auge zeigte eine normale dunkle Farbe. Das rechte allerdings hatte der Maler anders gemalt Natürlicher, als würde es leben…
***
Plötzlich fuhr ein Schauer über Janes Rücken.
Leben?
Sollte sie etwa beobachtet werden? Hatte man anstelle des Auges etwa eine Elektronik eingebaut? War das Auge das Objektiv einer Fernsehkamera?
Jane schluckte. In dieser Burg rechnete sie mit dem Schlimmsten. Sie trat noch dichter heran, dann jedoch schüttelte sie den Kopf. Nein, das war kein elektronisches Auge. Der Maler schien sich doch in der Farbe vergriffen zu haben. Und es war auch starr. Es bewegte sich nicht mehr.
Jane nahm an, daß sie sich vorhin getäuscht hatte.
Sie ging wieder zurück, öffnete ihren Koffer und nahm das hellblaue lange Kleid hervor. Sie hatte es zufällig mitgenommen, es würde zum heutigen Abend passen.
Jane breitete das Kleid auf dem Bett aus, doch irgend etwas hielt sie davon ab, es überzustreifen.
Immer wieder fiel ihr Blick auf das Bild.
Da stimmte etwas nicht.
Abermals trat Jane Collins näher heran. Wiederum schaute sie das Auge an.
Es lebte doch!
Die Erkenntnis ließ sie frösteln. Sie hatte es jetzt genau gesehen. Die Pupille bewegte sich. Hinter dem Bild stand jemand, der sie beobachtete.
Als Jane dieses klar geworden war, huschte sie zur Seite, so daß sie nicht mehr gesehen werden konnte.
Nun bewegte sie sich auf die Tür zu.
Das Gefühl, von einem Unbekannten unter Kontrolle gehalten zu werden, machte sie halb wahnsinnig. Sie wollte herausfinden, wer das war, der sie heimtückisch beobachtete.
Jane verließ das Zimmer. Ihre Handtasche hatte sie nicht mitgenommen, aber sie war bewaffnet. Die Astra-Pistole hielt sie in der rechten Hand und war bereit, sie auch einzusetzen, wenn man ihr Leben bedrohte.
Jane ging nach rechts. Da befand
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