Die Seelenburg
Da müssen Sie rein.«
»Okay.«
Ich wurde noch überholt. Ein Motorradfahrer huschte an dem Bentley vorbei.
Schade, daß Glenda bald ausstieg. Ich hätte sie gern noch ein Stück gefahren. Mein Finger rutschte zum Blinkerhebel. Links mußte ich fahren.
Die Straße war eng. Sie wurde noch enger gemacht, weil Fahrzeuge rechts und links parkten. Ihren Namen kannte ich nicht. In diese Ecke von London wehte mich der Wind selten.
Glenda schaute aus dem Fenster. Sie versuchte Hausnummern zu erkennen. Es war nicht möglich.
»Waren Sie schon mal da?« fragte ich.
»Nein, noch nie. Das Restaurant hat eine Klassenkameradin von mir ausgesucht.«
Fast wäre ich vorbeigefahren. Im letzten Augenblick konnte ich noch bremsen, als Glenda »Stopp« rief.
Hinter mir fuhr kein Wagen. Sanft kam der Silbergraue zum Stehen. Ich drehte den Kopf und schaute durch die wabernden Nebelschleier auf die Häuserfront.
»Sieht ziemlich tot aus.«
»Scheint mir auch so«, sagte Glenda.
Kein Licht brannte. Das ganze Gebäude machte einen leeren, verlassenen Eindruck.
»Ich sehe mal nach«, sagte sie.
»Und ich warte solange.«
Glenda stieg aus und lächelte. Ich sah ihr nach, wie sie auf den Eingang zuschritt. Bald war sie nur noch schattenhaft zu erkennen, weil die Nebelschleier sie umspielten.
Ich griff zu den Zigaretten, öffnete das Fenster einen Spalt und zündete ein Stäbchen an. Den Rauch blies ich durch die Ritze. Er vermischte sich mit dem Nebel.
Hin und wieder warf ich einen Blick auf die Fassade des Lokals. Von Glenda war nichts mehr zu sehen. Sie hatte das Restaurant wahrscheinlich betreten.
Wie es hieß, konnte ich nicht lesen, da die Schrift über der Tür nicht erleuchtet war.
Nach einer Zigarettenlänge war Glenda noch immer nicht zurückgekommen. In mir nagte langsam eine gewisse Unruhe. Wo blieb sie nur? Daß sie ohne sich zu verabschieden einfach verschwinden würde, daran wollte ich nicht glauben.
Ich gab ihr noch einmal fünf Minuten, dann war ich es leid und stieg aus.
Mein Job verlangte es, immer und überall einsatzfähig zu sein. Die Gefahren lauerten an jeder Ecke, und auch die Menschen, die sich quasi in meinem Dunstkreis befanden, wurden oft genug mit hineingezogen.
Deshalb nahm ich die Sache nicht auf die leichte Schulter, sondern verdammt ernst. Es konnte durchaus sein, daß Glenda etwas zugestoßen war, denn das alles hier roch in gewisser Hinsicht nach Falle.
Ich holte meine Beretta aus dem Hüftholster und steckte die Waffe in die rechte Manteltasche. So konnte ich sie innerhalb kürzester Zeit ziehen.
Die Tür war offen. Sie hatte ein Muster aus Glas. Die kleinen Scheiben saßen in dunklen Holzrahmen fest. An der linken Seite der Tür befand sich ein Guckloch.
Ich stieß die Tür auf.
Kalter Rauch traf meine Nase. Es roch richtig nach Kneipe. Scharf mußte ich mich nach rechts wenden, wo der Gang auf einen Vorhang zuführte.
Niemand begegnete mir. Ich hörte auch keine Stimmen, und mein Mißtrauen wurde noch stärker.
Dann — kurz vor der Tür — rief Glenda Perkins mich an. »John, sind Sie es?«
»Ja.«
»Kommen Sie.«
Glendas Stimme vertrieb mein Mißtrauen. Ich drückte den Vorhang zur Seite, schaute in das Lokal und machte die nächsten beiden Schritte.
Dann blieb ich abrupt stehen, denn das Ding, das mir da jemand in die Seite preßte, fühlte sich verdammt nach der Mündung einer Waffe an…
***
»Wenn Sie nicht mitmachen, muß ich Sie leider töten lassen, da Sie zuviel wissen!«
Die so gelangweilt ausgesprochenen Worte des Milliardärs Gordon Schreiber hatten bei Celine Wald eine Panik ausgelöst. Die junge Schweizerin, Privatsekretärin des Mannes, glaubte sich verhört zu haben. Aber Schreiber hatte auf ihre Frage hin seine Worte eiskalt wiederholt.
Dieser Mann sprach keine leeren Drohungen aus.
Celine Wald wußte nicht mehr, was sie tun sollte. Wie betäubt war sie in ihr Zimmer gelaufen, das im Westflügel der Burg lag, hatte sich eingeschlossen und weinend aufs Bett geworfen.
Stunden waren vergangen. Verzweifelt sann die Dreiundzwanzigjährige nach einem Ausweg. Sie fand keinen. Wenn sie in Zürich, Bern oder Genf gewesen wäre, hätte alles anders ausgesehen, aber nicht auf dieser gottverlassenen Burg in den Hochalpen zwischen Chur und St. Moritz. Nein, hier kam sie nicht weg.
Irgendwann, als die Dämmerung bereits das Tageslicht vertrieben hatte, stand Celine auf. Sie ging ins Bad, wusch ihr Gesicht und betrachtete sich im Spiegel.
Mitmachen! hämmerte es
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