Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
an Aids zu krepieren, wenn sie nicht vorher verhungert sind.
Was glaubst du wohl, warum ich dir all dies erzähle? Weil es mich unendlich
betrübt zuzusehen, wie du von ihnen ausgenutzt wirst. Du
bist ein feiner Kerl, Lukas. Einfache Priester wie du sind das Aushängeschild
eures Ordens, Männer an der Basis, die aus tiefstem Herzen glauben und das Gute
in die Welt tragen. Ihr schaukelt eure reinen Seelen im sanften Wind des
Glaubens und merkt dabei nicht, dass sich die Welt im Sturm befindet! Mensch
wach auf, Lukas, du bist nur ein Gefangener, eingebunden und ausgenutzt von
einem Schneeballsystem der Macht, geschaffen von gierigen Männern, die
vorgeben, im Namen Gottes zu handeln. Menschen wie du sind es, die die Netze
auswerfen. Seelenfischer wie du sind es, die der Kirche seit jeher die
eigentliche Quelle der Macht bewahrten: die Masse der Gläubigen. Auf ihnen
allein fußt seit beinahe zwei Jahrtausenden ihre Herrschaft. Nicht
Gott hat den Menschen geschaffen, sondern der Mensch Gott. Du dienst dem
falschen Herrn.“ Müde wischte sich Rabea eine feuchte Locke aus der Stirn.
Lukas
beobachtete sie von der Seite und in seinen Augen lag unendliche Traurigkeit.
Eine Weile schwiegen sie beide. Er wusste nicht, was er
ihr entgegnen sollte. Natürlich hatte Rabea früher oft Streitgespräche mit ihm
über die Kirche geführt, hatte ihn angegriffen und verletzt, aber dabei hatte
er immer das Gefühl gehabt, dass sie es tat, weil sie nicht aufgeben wollte,
weil sie ihn überzeugen wollte, sein Leben nicht Gott und der Kirche zu weihen. Aber ihr
Ausbruch heute war irgendwie anders gewesen. Er spürte ihre tiefe Verzweiflung
und es tat ihm weh, sie so zu erleben. Beinahe konnte man den Eindruck
gewinnen, dass sie immer noch darunter litt, dass er sich damals für den Orden
entschieden hatte. Wie konnte das sein? Sie war es doch gewesen, die ihn damals
nach der Rückkehr aus ihrem ersten gemeinsamen Urlaub in Nürnberg verlassen
hatte und zu einem anderen Mann ins Bett gestiegen war, am selben Tag, als er
sie fragen wollte, ob sie seine Frau werden wolle.
"Entschuldige , Lukas.
Vergiss es. Ich habe mich gehen lassen", lenkte Rabea erneut ein. "Ich
weiß, dass dich das jetzt überrascht, Lukas. Aber ich bin des ewigen Kämpfens
so müde. In den letzten Jahren habe ich zu viele Tote gesehen und zu viele
Menschen, die ich kannte, sind eines gewaltsamen Todes gestorben. Ich habe
gelernt, wie kostbar ein Leben ist, und vor allem die zur Verfügung stehende
Zeit. Dabei gehen wir so verschwenderisch damit um, als würden wir ewig leben.
Die Frage ist doch gar nicht, ob es einen Gott gibt, sondern was wir selbst aus
unserem Leben machen. Man muss seinen Nächsten ja nicht lieben, wie es in einem
der zehn Gebote heißt, aber man kann ihn doch wenigstens so akzeptieren wie er
ist? Und wenn er einen anderen Glauben hat, bitte, wen stört´s? Warum wollen
Menschen bloß immer über andere bestimmen, Lukas? Woher nehmen wir Menschen
diese Anmaßung, uns stets als klüger und besser als der andere einzuschätzen?
Ich habe erkannt, dass ich mein Leben ändern muss und bin nach Rom gekommen, um
mit dir über uns und das, was geschehen ist, zu sprechen. Ich weiß, dass es für
uns beide zu spät ist, dazu haben wir uns zu sehr verändert. Aber es ist nie zu
spät für eine gute Freundschaft. Das, was passiert ist, beruht auf einem reinen
Missverständnis und aus purem Stolz habe ich es nie aufgeklärt. Ich war unreif
und dumm und ich schäme mich heute dafür. Weißt du, ich bin damals nach München
gefahren, weil ich dein Telefonat mit ..." Unvermittelt hielt Rabea inne. Etwas
im Rückspiegel schien ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. „Verdammt,
ich glaube, dieser Mistkerl ist immer noch hinter uns her“, schimpfte sie,
während sie sich auf der rechten Spur vor einem riesigen Milchlastwagen wieder
einordnete.
„Die Polizei? Bist du sicher? Ich dachte, du wärst dem Mann
entwischt?“, fragte von Stetten, während er über die linke Schulter
zurückblickte, aber der große Laster direkt hinter ihm versperrte ihm jegliche
Sicht auf nachfolgende Fahrzeuge. „Ich bin ihm entwischt“, stellte Rabea
richtig. „Aber irgendwie hat er uns wieder gefunden. Der Typ ist garantiert
nicht von der Polizei, dafür habe ich einen Riecher. Das ist ein ganz anderes
Kaliber. Solchen Leuten bin ich schon früher begegnet. Tut mir leid Lukas, aber
ich befürchte, die bösen Jungs sind hinter uns her. Er gehört wahrscheinlich zu
der Truppe, die den
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