Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
stummer Einsicht nieder. Statt etwas
zu sagen, angelte er nach der schlanken, glasklaren Flasche und genehmigte sich
mit zuckendem Adamsapfel einen dritten Schnaps. Auch eine Antwort, fand Rabea.
"Sie sehen, Simone, wir haben uns nur den Umständen gebeugt. Außerdem,
wenn die Dokumente das sind, wofür wir sie halten, wären sie ein Vermögen wert.
Amerikanische Softwaremogule sind bereit, Unsummen für alte Manuskripte zu
bezahlen. Bill Gates zum Beispiel, hat kürzlich für einige da
Vinci-Originalschriften dreißig Millionen Dollar locker gemacht. Hätte Grassa
zu diesem Zeitpunkt von den Dokumenten erfahren, würde er für Lukas das
klassischste aller Mordmotive konstruieren: Habgier. Wir können deshalb nicht
riskieren, sie einem karrieregeilen Commissario zu überlassen. Wir müssen
selbst herausfinden, wer hinter den Morden steckt. Dann erst können wir die Polizei
informieren."
Pater
Simone blieb zwar stumm, aber zum Zeichen, dass er sich ihrer Argumentation
beugte, schenkte er ein weiteres Glas Grappa ein, das er jedoch nicht selbst
trank, sondern Rabea zuschob. „Da wir offenbar alle zu Komplizen geworden sind,
sagen wir am besten du zueinander. Ich bin Simone.“ Rabea nickte und nahm das
Friedensangebot an, prostete ihm zu und schüttete es in einem Zug hinunter -
was auf nüchternen Magen und für jemanden, der kaum je Alkohol trank ein Fehler
war. Nur Sekunden später breitete sich in ihrem Magen ein flaues Gefühl aus.
"Simone, eine Bitte. Wie war das vorhin mit etwas Essbarem? Lukas
behauptet, du könntest aus dem Nichts etwas Gutes zaubern. Würdest Du
vielleicht...?" Hoffnungsvoll sah Rabea zu ihm auf.
"Natürlich,
natürlich." Eilfertig sprang Pater Simone hoch und machte sich sofort zu
schaffen. Lukas registrierte mit Erstaunen, dass auch sein bester Freund nicht
immun gegen Rabeas Charme zu sein schien, wobei er wohl mehr dem Charme ihres
rasiermesserscharfen Geistes verfiel als ihrer Weiblichkeit. Er unterdrückte
den Anflug eines leichten Grinsens, das Rabea trotzdem nicht entging. Immerhin
saß er jetzt wieder einigermaßen aufrecht im Sessel und wirkte weniger
niedergeschlagen.
"Während
ich ein paar Toasts vorbereite, verratet ihr mir, wie eure weiteren Pläne
aussehen?", erkundigte sich Simone.
"Entschuldige",
bat ihn Rabea. "Für mich bitte keinen Schinken. Danke. Also. Ich hatte mir
folgendes gedacht", fuhr Rabea mit den weiteren Erklärungen fort, worüber
Lukas froh war, er hatte allein vom Zusehen einen ganzen See im Mund. Nichts
schien mehr Hunger zu verursachen als lebensgefährliche Abenteuer und Liebe am
Mittag...
"Du
hast es selbst gehört, Simone. Lukas hat Hausarrest und darf die Wohnung erst
morgen früh wieder für die Vernehmung verlassen. Wir beide jedoch können uns frei
bewegen. Ich würde gerne gleich mit dir zusammen zur Bank gehen und die
Unterlagen aus dem Schließfach holen. Als nächsten Schritt habe ich vor,
Bentivoglios Dokumente in meinen Laptop einzuscannen und heute Abend in Ruhe zu
studieren. Vielleicht können wir morgen früh dann bereits mit ersten
Ergebnissen aufwarten, die Lukas entlasten und Grassa beschwichtigen."
"Ja,
aber wie willst du die Dokumente an dem von Grassa postierten Polizeibeamten
vorbei in die Wohnung schmuggeln? Die Schriftrollen sind bald einen halben
Meter lang. Nicht so ganz einfach", wandte Simone ein.
"Oh,
ich scanne die Schriftrollen nicht hier ein, sondern wir gehen dazu zu dir, das
heißt, eigentlich in die Wohnung deines Bruders. Lukas hat mir verraten, dass
er gerade verreist ist und du einen Schlüssel für sein Appartement hast. Er ist
doch Softwaretechniker und verfügt dort über die nötige Hard- und Software,
unter anderem einen hochauflösenden Scanner, der für unsere Zwecke geeignet
ist", verkündete Rabea mit einem strahlenden Lächeln.
Der
Blick, mit dem Simone daraufhin Lukas bedachte, war selbst mit dem größten
Wohlwollen nicht mehr als freundschaftlich zu bezeichnen. Die beiden hatten
ihn, ob absichtlich oder nicht, völlig ausgeknockt. Er konnte nicht mehr
zurück. Gott sei Dank vermeldete in diesem Moment der Grill mit einem hohen
Pfeifton, dass die ersten Toasts fertig waren. Der köstliche Duft von frisch
geröstetem Brot zog durch die Küche.
„Hier
bitte.“ Simone reichte sie ihnen und Lukas und Rabea bissen heißhungrig hinein.
„Habt
ihr denn schon irgendeinen Verdacht, wer ein so großes Interesse an den Dokumenten
haben könnte, dass er gar dafür mordet?", erkundigte sich Simone nach
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