Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Ratgeber. Natürlich
bleibe ich. Schon alleine, um dieser Tochter Eva meine eigene Theorie entgegen zu
schleudern", polterte Simone, während seine Augen wütende Blitze auf Rabea
schleuderten.
Jeder
andere wäre davon eingeschüchtert worden. Diese Tochter Eva jedoch schien davon
überhaupt keine Notiz zu nehmen, sondern kaute genüsslich weiter an einem Stück
Käse, das sie mit spitzen Fingern von ihrem Toast gepickt hatte. Sie
beobachtete Simone durch ihre gesenkten Wimpern hindurch. Sie liebte es, andere
herauszufordern, sie auf die Palme zu jagen und dann mit einigen liebevoll
platzierten Kokosnüssen wieder herunter zu holen. Genüsslich schleckte sie noch
etwas geschmolzenen Käse von ihrem Finger, wischte sich den Mund mit einer
Serviette und stand auf, um sich wie eine Katze im ersten Frühlingssonnenstrahl
auf der Fensterbank zu recken. Dann erst trat sie zu Simone, legte ihre kleine
Hand auf seine Schulter und schnurrte: "Mmh, war das gut, Simone. Lukas
hatte Recht, als er mir erzählt hat, dass du der beste Koch Italiens wärst. Du zauberst
selbst aus einem simplen Toast ein Gedicht. Er hat mir verraten, dass du schon
viele eigene Rezepte kreiert hast. Vielleicht könntest du sie mir einmal
zusammenstellen und ich versuche, einige davon in einschlägigen Magazinen
unterzubringen. Ich kenne da ein oder zwei Redakteurinnen. Ich bin sicher, dass
die Damen sich um einen kochenden Jesuiten reißen würden. Aber komm, setz dich
wieder, jetzt bist du an der Reihe. Du solltest auch etwas essen. Und dann
erzählst du uns von deiner eigenen Theorie, wir sind sehr gespannt."
Besiegt
unterschrieb Simone seine Kapitulation und ließ sich wie ein kleiner Junge
zurück zu seinem Korbsessel führen. "Nun denn", brummte er und
räusperte sich geräuschvoll. Lukas hatte die neueste Entwicklung mit
zufriedenem Grinsen registriert. Willkommen im Club der Chancenlosen, dachte er
bei sich und setzte sich ebenfalls wieder. Dieses Psychobiest, sie wusste
genau, welchen eitlen Knopf sie drücken musste, um ihre Opfer nach Belieben zu
manipulieren.
Nun
war Rabea an der Reihe, in der Küche zu hantieren. "Du auch noch,
Lukas?", erkundigte sie sich Messer schwingend.
"Ja,
gerne", antwortete dieser prompt.
"Also,
Freund Simone, ich brenne. Wie sieht deine Interpretation der Ereignisse
aus?"
Pater
Simone ließ sich nicht lange bitten: "Zuerst einmal hat deine Theorie
einen ziemlichen Haken, Rabea. Warum sollte ausgerechnet unser Pater General
angebliche kirchenfeindliche Schriften persönlich und unter Lebensgefahr
konservieren, wo er doch der Kirche als einer der höchsten Kleriker selber
angehörte! Falls die Dokumente für die Kirche tatsächlich so gefährlich wären,
wie du behauptest, wäre es doch nur logisch gewesen, das er sie entweder selbst
vernichtet oder im vatikanischen Geheimarchiv in der tiefsten Ebene auf immer
verschwinden gelassen hätte. Wozu also die ganzen Umstände?"
"Du
hast Recht, Simone. Das habe ich mich auch gefragt", erwiderte Rabea und
tupfte mit einem Küchentuch verkleckerte Marinade von der Arbeitsplatte.
"Aber vielleicht sind sie zwar kirchenfeindlich, beziehungsweise
jesuitenfeindlich, aber sagen wir einmal, nicht gläubigenfeindlich?"
"Ha,
hast du das gehört, Lukas? Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Unsere
scharfsinnige Freundin hier unterscheidet also zwischen der heiligen Mutter
Kirche, unserem Orden und den Gläubigen. Da bin ich aber mal gespannt,
wie sie uns den Unterschied erklären will." Mit selbstzufriedenem Lächeln
lehnte sich Pater Simone zurück. Rabea wilderte in seinem hauseigenen Terrain,
der theoretischen Theologie. Er freute sich auf den theologischen Leckerbissen
mehr als auf den heißen, köstlich duftenden Toast, den Rabea ihm soeben reichte
und konnte es sichtlich kaum erwarten, ihr Paroli zu bieten.
Lukas
beobachtete das selbstgefällige Gebärden seines Freundes mit einem flauen
Gefühl im Magen. Er wusste, dass Rabea jetzt nicht mehr aufzuhalten war. Wenn
Simone dachte, die Falle würde über Rabea zuschnappen, hatte er noch nicht
bemerkt, dass sie längst gefährlich schaukelnd über ihm schwebte.
"Nun,
wie ihr wisst, existieren keinerlei Überreste der vier Original-Evangelien aus
dem neuen Testament. Die frühesten Abschriften überhaupt stammen aus dem 4.
Jahrhundert. Heute ist jedoch hinreichend bewiesen, dass die Kopien der
Evangelien damals der vorherrschenden römischen Ideologie angepasst wurden. Mit
anderen Worten: sie wurden zensiert. Ein
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