Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
schon.“ Lukas sprang beflissen auf und durchsuchte den Kühlschrank. Mit
einer noch ungeöffneten Flasche kehrte er zurück. Er entkorkte sie rasch,
schenkte seinem Freund zwei Fingerbreit ein und sah zu, wie dieser das Glas in
einem Zuge leerte und es ihm dann ein zweites Mal auffordernd zuschob. Eilig
füllte er nach. Lukas wirkte wie ein reuiger Schuljunge, der inbrünstig hoffte,
dass die sichergeglaubte Strafpredigt seines Lehrers vielleicht doch ausfiel.
Rabea unterdrückte ein Schmunzeln.
"Nun
ja", meinte Pater Simone, nachdem das zweite Glas Grappa den Weg des
ersten gegangen war. Er faltete seine großen Hände über dem rundlichen Bauch
und überließ sich einen Augenblick der beruhigenden Wirkung des Alkohols.
Schließlich meinte er aufseufzend: "Was für ein Schlamassel. Und du bist
dir ganz sicher Lukas, dieselbe Bande, die deine Schwester entführt hat, hat
auch deinen Onkel Franz, unseren Pater General und die Nachbarin auf dem
Gewissen?"
"Ja.
Und nicht zu vergessen Grassas Beamten. Insgesamt hat diese mysteriöse
Angelegenheit bisher vier Menschen das Leben gekostet, eigentlich sechs, wenn
man Bentivoglios Sekretär, Vallone, und seinen Freund Cattaldo dazu
rechnet."
"Und
alles wegen einiger angeblich uralter Dokumente aus einem Schließfach. Beim
heiligen Paulus, was habt ihr beiden da bloß ausgegraben. Das Tagebuch des
Teufels?"
"Nicht
wir, Simone, der Pater General. Leider hatten wir bisher noch keine Zeit, einen
Blick darauf zu werfen", antwortete ihm Rabea an Lukas statt.
"Wie
bitte? Ihr habt die Dokumente noch gar nicht gelesen? Aber warum denn nicht?
Wenn sie doch die Ursache des ganzen Übels zu sein scheinen. Wenn ich Grassa
richtig verstanden habe, wart ihr genau deshalb heute Morgen unterwegs",
ereiferte sich Simone.
Lukas
errötete pflichtschuldigst bis unter die Haarwurzel, während Rabea einen
weiteren, pflegebedürftigen Fingernagel entdeckte.
"Ich
verstehe. Nun denn…", brummte Pater Simone, wurde selber rot bis zu den
Ohrläppchen und knurrte etwas vor sich hin, das sich anhörte wie Weiber,
Wollust und dergleichen. Rabea stellte bei sich fest, dass Pater Simones
Repertoire an hässlichen Kraftwörtern für einen Priester absolut beeindruckend
war.
"Und
wie stellt ihr beiden euch das vor, wie es jetzt weitergehen soll?“, schimpfte
Simone weiter. "Immerhin habt ihr den Commissario soeben auf das
schamloseste belogen. Der Mann findet das bestimmt nicht spaßig. Schließlich
geht es hier nicht nur um mehrere Mordfälle, die er aufzuklären hat, sondern
auch um seine Karriere. Habt ihr nicht gesehen, welchen Bammel der hat, dass
die dadurch den Bach runter gehen könnte? Der badet doch im Ehrgeiz. Glaubt
mir, der wird nicht eine Minute locker lassen, bis er die ganze Wahrheit
herausgefunden hat. Und wie es scheint, habt ihr selbsternannten Hobby-Dedektive
bis jetzt nicht den blassesten Schimmer. Der Commissario ist euch da leider um
Längen voraus. Am liebsten würde er nämlich dich, Lukas, sofort hinter Schloss
und Riegel bringen und ich wette, nur die Beziehungen deines Vaters haben ihn
bisher davon abgehalten. Also, wenn ich einmal zusammenfassen darf:
Verdächtiger: Lukas. Motiv: Bentivoglios Schließfach. Und wer, bitte schön, ist
im Besitz des angeblich nicht vorhandenen Inhalts? Unser Freund Lukas hier. Ihr
beide seid doch von allen guten Geistern verlassen und habt dringend einen
Exorzismus gegen Bescheuertheit nötig. Sobald der Commissario nämlich
herausfindet, dass das Schließfach nicht leer war, und dazu benötigt er nicht
mehr als die Aussage des Bankbeamten in Mergo, ist Lukas schneller verhaftet
wie ich Jesus sagen kann", zeterte Simone.
Rabea
hatte ihre Pflichtmaniküre eingestellt und beobachtet, wie Lukas bei den Worten
seines Freundes immer kleinlauter wurde. Zeit einzugreifen: "So einfach
ist das leider nicht, Freund Simone. Lukas hat schließlich nur genau das getan,
was der Pater General von ihm verlangt hat, nämlich, dass ausschließlich er
allein über Schließfach und Inhalt verfügen sollte. Er musste ihm dies auf die
Bibel schwören. Was hätten Sie an seiner Stelle getan, Simone? Den Wunsch Bentivoglios
ignoriert und einen heiligen Gottesschwur gebrochen? Was wiegt mehr? Gott oder
die weltliche Gerichtsbarkeit? Der Eid auf die heilige Bibel oder eine
notwendige Lüge gegenüber dem Commissario?" Herausfordernd funkelte Rabea
Simone an. Dieser schaffte es genau zwei Sekunden lang dem grünen Feuer
standzuhalten, dann schlug er die Augen in
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