Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
obersten Absatz hinter der Eisentüre zum Erdgeschoss
verschanzen. Dort hatten sie Handy-Empfang und konnten Hilfe rufen und sich
außerdem eine Weile gegen etwaige Angreifer verteidigen. Sie beeilten sich, so
gut es eben mit dem verletzten Simone möglich war. Auf dem Pater lastete die
Verantwortung schwer, die er Lukas und Jules mit seinem stattlichen Gewicht
aufbürdete. Zum ersten Mal in seinem Leben bedauerte Simone seinen Leibesumfang
und er schickte ein inbrünstiges Stoßgebet durch die Gewölbedecke bis zum
Himmel und versprach seinem Herrn, dass er, wenn er heil aus der Sache
herauskäme, sich künftig mäßigen und die erste Diät seines Lebens in Angriff
nehmen würde.
Beinahe
schon hatten sie die letzte Abzweigung erreicht, die zu der rettenden Treppe
führte, als plötzlich alles sehr schnell ging. Jemand hechtete geschmeidig wie
ein Raubtier um die Ecke, schlug Rabea mit einem gezielten Hieb die Waffe aus
der Hand, und feuerte gleichzeitig mehrere Schüsse in Richtung der drei Männer
ab. Leider traf es Pater Simone, durch seine Leibesfülle bei weitem das
dankbarste Ziel. Noch während dieser den Einschlag der ersten Kugel spürte,
schleuderte er mit einer heftigen Bewegung seiner Arme Lukas und Jules nach
hinten, dann stürzte er wie ein gefällter Baum zu Boden. Die beiden rollten
sich weg und suchten instinktiv Schutz hinter der offenstehenden Stahltüre
einer Zelle. Jules zog seine Waffe, bereit zu feuern, aber der Mann hatte
bereits die beste Deckung gefunden, die es gegen sie gab: Er hatte Rabea
gepackt und hielt sie als lebendes Schild vor sich mit der Pistole an ihrer
Schläfe. Der Mann grinste Jules und Lukas unverschämt entgegen. Es war Gabriel,
der Vollstrecker, selbsternannter Marquis de Sade.
"Nun,
nun. Das sieht nicht gut für Sie aus, meine Herren. Und da haben wir auch den
edlen Ritter von Stetten, wenn ich mich nicht irre. Bevor ich sie töte, sollte
ich noch erwähnen, dass die letzten Wort ihres Onkels, des Bischofs nicht
seinem Gott galt, sondern Ihnen. Wenn Sie bitte nun die Liebenswürdigkeit
besäßen, mir ihre Waffen zuzuwerfen und dann mit erhobenen Händen hinter der
Türe hervorkommen würden? Sie möchten doch sicherlich nicht das hübsche
Köpfchen dieser Lady hier riskieren."
"Nein",
rief Rabea scharf, als sie sah, dass Lukas Anstalten machte, der Aufforderung
nachzukommen. Sie warf Jules einen beschwörenden Blick zu, den dieser mit einem
leichten Senken seiner Lider beantwortete. Sofort bäumte sich Rabea in dem um
ihre Kehle gelegten Arm auf, so dass der überraschte Vollstrecker genötigt war,
sie fester an sich zu drücken. Mit all ihrer Kraft stemmte sie sich gegen ihn
und sprang dann mit beiden Beinen hoch, so dass sie für den Bruchteil einer
Sekunde mit ihrem ganzen Gewicht an seinem Arm hing, dabei Gefahr laufend, sich
selbst zu erdrosseln. Als der Vollstrecker begriff, was Rabea mit ihrer Gegenwehr
bezweckte, war es zu spät. Jules hatte auf Rabeas Signal hin sofort gefeuert
und dem Mann mit einem Schuss die linke Kniescheibe zertrümmert. Mit einem wütenden
Aufschrei knickte Gabriel ein, wobei er Rabea freigeben musste, die sich sofort
seiner Waffe bemächtigte. Der Sadist, der so gerne anderen Schmerzen zufügte,
erfuhr diese nun am eigenen Leibe. Zusammengekrümmt rollte er am Boden hin und
her, sein zerschmettertes Bein mit beiden Händen fest umklammernd.
"Du
verdammtes Miststück, das wirst du mir büßen", zischte er, während seine
Augen tödliche Blitze auf sie abschossen. Sein vormals engelsgleiches Gesicht
war vom Hass entstellt und ähnelte nun fatal den scheußlichen Dämonenfratzen der
Villenfassade.
Die
ganze Aktion hatte sich im Bruchteil von Sekunden abgespielt, so dass der
erstarrte Lukas noch immer verdaute, wovon er soeben Zeuge geworden war. Hatte
Jules tatsächlich gerade kaltblütig auf Rabea gezielt? Wenn er nun sie statt
des Vollstreckers getroffen hätte? Ihm schwoll nachträglich der Kamm. Er vergaß
völlig die Gefahr, in der sie immer noch schwebten und machte seinem Ärger
Luft: "Das war ja wohl das verrückteste Kabinettsstückchen, das mir je
untergekommen ist. Habt ihr beiden denn völlig den Verstand verloren?"
Jules
ließ sein Ausbruch völlig kalt. "Keine Panik, Lukas", beschwichtigte
er. "Das sah bei weitem schlimmer aus, als es war. Rabea, Lucie und ich
haben das trainiert. Gewisse Maßnahmen in Gefahrensituationen können Leben
retten."
Lukas
erstarrte wie Lots Weib und wechselte von puterrot in kreidebleich:
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