Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
unverzüglich sein Vorrecht vor seinem
Kumpan geltend zu machen. Hinter ihm drängte der zweite Wächter in die kleine
Zelle. Rabea wehte schon der eklig abgestandene Mundgeruch des Mannes ins
Gesicht, als Jules und Lukas zuschlugen. Der ehemalige Agent stürzte sich auf
den ersten Mann, packte den Verblüfften an den Armen und schleuderte ihn mit
einer kraftvollen Bewegung, Kopf voran, gegen die felsige Zellenwand. Der Mann
sackte mit peinlich heruntergelassener Hose bewusstlos in sich zusammen. Lukas
ging weniger brutal vor und versetzte seinem Opfer zwei sauber gezielte
Boxhiebe. Rabea sprang auf und schimpfte los: „Verdammt Jules, Lukas. Wo zum
Teufel habt ihr beiden so lange gesteckt? Ich habe mehr Spuren hinterlassen als
ein Yeti im Tiefschnee.“
„Ja,
wir sind auch froh, dich zu sehen. Interessant, dass du bei deinem Abenteuer
noch Zeit gefunden hast, einen Friseur aufzusuchen. Warum bist du nicht zu mir
gekommen?“, konterte Jules, während er ihren zerrupften Bubikopf begutachtete.
Lukas wollte sich ebenfalls zu Wort melden, als Rabea beide mit einer
ungeduldigen, nicht-wichtig-Handbewegung abwürgte und ihre Freunde in wenigen
Worten über das furchtbare Martyrium Pater Simones informierte. Bevor sie die
Zelle verließen, durchsuchte Jules flink die beiden bewusstlosen Wächter und
förderte aus ihren Taschen Handschellen hervor, mit denen sie die beiden
Delinquenten fesselten. Er nahm auch deren Handfeuerwaffen und Handys an sich
und knebelte sie anschließend sorgfältig mit zwei Stoffstreifen aus seinem
Rucksack. Er folgte Rabea und Lukas auf den Gang und verriegelte die Tür der
Zelle sorgsam hinter sich. Schnell befanden sie sich wieder auf dem Hauptgang.
Jules ging mit gezogener Waffe voran. Wenig später erreichten sie die
Folterkammer. Das Glück war mit ihnen: Der Vollstrecker war noch nicht zurück.
Rabea drückte sich sofort an Jules vorbei.
Der
Pater bot einen trübseligen Anblick. Er war immer noch auf die Streckbank
gefesselt und der Verband auf seinem Kopf war blutgetränkt. Rabea konnte hören,
wie Lukas hinter ihr zischend die Luft einsog. Jules durchtrennte flink die
Lederbänder und half Simone gemeinsam mit Lukas vorsichtig herunter. Simone
konnte wegen der gerissenen Sehne seines Beines nicht von alleine stehen und
schwankte bedrohlich. Die beiden Männer wollten ihn zurück auf die Streckbank
heben, aber Simone schüttelte entsetzt den Kopf. Rabea sah sich schnell nach
einem Stuhl um, entdeckte aber nur den wurmstichigen Holzeimer unter der Bank.
Zu ihrem Entsetzen barg es Simones abgeschnittenes Ohr. Rabea entschied, dass
jetzt nicht die Zeit für Empfindlichkeiten war, stülpte den Eimer schnell wie
einen Würfelbecher um, und Simone sank, nackt wie Gott ihn schuf, auf der
improvisierten Sitzgelegenheit zusammen. Wahrscheinlich der erste Mann, der auf
seinem eigenen Ohr zu sitzen kommt, dachte Rabea überspannt. Lukas hatte
Simones Kleiderhaufen entdeckt und drapierte ihm sein Hemd über die Knie und dieser
lächelte ihm trotz seiner offensichtlichen Schmerzen dankbar zu. Jules kniete
bereits vor ihm und hatte aus seinem Wunderrucksack einige Mullbinden und einen
festen Verband gezaubert, mit dem er das lädierte Bein provisorisch
bandagierte. Während Jules Simone versorgte, besprachen sie leise flüsternd das
weitere Vorgehen. Rabea und Lukas drängten Simone, sofort mit ihnen zu kommen,
während dieser vehement vertrat, ihn hier zurückzulassen, während sie Hilfe
holten. Er könne schließlich kaum laufen und ihn zu tragen käme ja wohl nicht
in Frage, wie er mit einer Geste auf seinen enormen Leibesumfang hinwies. Jules
hielt sich aus der geflüsterten Diskussion der drei weitgehend heraus, neigte
jedoch bei sich dazu, Simone zuzustimmen. Die Zeit drängte und Rabea und Lukas
setzten sich schließlich durch, da der Sadist jeden Moment zurückkehren konnte.
Jules drückte Rabea seine Waffe in die Hand, meinte lapidar, dass sie nicht
zögern sollte, davon Gebrauch zu machen, dann packten die beiden Männer den verletzten
Pater ohne weitere Umschweife rechts und links unter den Achseln und hoben ihn
mit vereinten Kräften vom Kübel.
Diesmal
ging Rabea der Gruppe voran. Ihre Flucht schien bisher noch nicht entdeckt zu
sein, doch jede Sekunde konnte der erwartete Alarm losgehen. Die Nerven aller
waren bis zum Zerreißen gespannt, doch mit jedem Schritt wuchs ihre Hoffnung,
dass sie es vielleicht bis zur Treppe schaffen konnten. Ihr Plan war einfach:
Sie würden sich auf dem
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