Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
"Beim
heiligen Ignazio. Was erzählst du da? Du hast Rabea das beigebracht? Ja, bist
du denn völlig von allen Geistern verlassen?“
Jules
wappnete sich gegen einen möglichen Schlag, in dem er einen Schritt zurücktrat.
Wie schon einmal damals in München, als Lukas ihm den Unterkiefer gebrochen
hatte, staunte Jules erneut, wie die Gefühle für Rabea, den in sich ruhenden,
besonnenen Jesuitenpater in Sekundenschnelle in eine rasende Furie verwandelt
hatten.
„Schon
gut, Pax", erwiderte Jules und hob beschwichtigend die Hände. „Dafür ist
jetzt keine Zeit. Wir müssen machen, dass wir von hier verschwinden. Die
Schüsse waren weithin zu hören und wir werden jeden Moment Besuch
bekommen."
Aber
erst ein lautes Stöhnen ließ Lukas` Zorn in sich zusammenfallen und beförderte
ihn abrupt in die harte Wirklichkeit zurück. Zutiefst beschämt eilte er zu
Simone und sank neben ihm auf die Knie.
Rabea
kauerte längst bei dem reglos auf dem Rücken ausgestreckten Pater. Zu ihrem
größten Entsetzen hatten Simone zwei Kugeln in Bauch und Brust getroffen. Der
Schwerverletzte schien nur mit Mühe atmen zu können und bei jedem Ein- und
Ausatmen erklang ein scheußliches, gurgelndes Geräusch. Blutblasen hatten sich
in seinen Mundwinkeln gebildet. Jeder Laie konnte erkennen, dass die Lunge
schwer verletzt sein musste und förmlich in Blut badete. Rabea bettete Simones
Kopf vorsichtig auf ihren Schoß. Mit Tränen in den Augen suchte sie Lukas’
Blick, der die schwere Rechte seines Freundes aufgenommen hatte und fest an
sich drückte.
Allen
dreien war bewusst, dass hier jegliche Hilfe zu spät kam. Tatsächlich lief ein
Zittern durch den mächtigen Körper und Simones wachsbleiches Gesicht wirkte,
als zöge sich das lebenspendende Blut daraus zurück. Ein letztes Mal schien Simone
seine Kräfte zu sammeln. Seine blutleeren Lippen bewegten sich, mühten sich
Worte zu formen. Mit sichtlicher Anstrengung versuchte er noch etwas zu sagen.
Lukas beugte sein Ohr ganz dicht zu dessen Mund hinunter, um Simones letzte,
geflüsterte Botschaft auf Erden zu empfangen:
"Die
Dokumente … Wichtig ... nicht … in falsche Hände ..."
Und
so starb Pater Simone, der das Leben geliebt und mit all seinen kulinarischen
Genüssen ausgekostet hatte, einen elendigen und sinnlosen Tod. In ihrer Trauer
waren die drei für einen Moment in einem Zeitvakuum gefangen, und niemand
dachte an die ihnen noch immer drohende Gefahr. Ein letztes Gebet für den
gemeinsamen Freund verband die Jüdin Rabea, den Christen Lukas und den Muslim
Jules in ihrem gemeinsamen Schmerz, der keine Religion kennt. Drei Religionen,
drei Namen für einen Gott, der doch derselbe war.
Dann
geschah das Unfassbare. Das gefährliche Klicken einer entsicherten Waffe hallte
von den Felsgewölben des Ganges wieder. Jules reagierte sofort und fuhr herum.
Der Vollstrecker hatte sich halb aufgerichtet und richtete eine kleinkalibrige
Waffe auf sie, die er vermutlich in seinem Stiefel versteckt gehalten hatte.
Jules verfluchte sich für seine Nachlässigkeit, ihn nicht durchsucht zu haben.
So etwas wäre ihm früher im aktiven Dienst nicht passiert. Sein ganzes weiteres
Leben würde ihn dieser eine unverzeihliche Fehler verfolgen.
"Ich
habe dir doch gesagt, du rothaarige Hexe, dass ich nie eine Rechnung offen
lasse. Wiedersehen in der Hölle, Miststück." Er drückte ab.
Gleichzeitig
riss Jules seine Waffe hoch und gab mehrere Schüsse auf den Vollstrecker ab,
während Lukas aufgesprungen war und sich schützend auf die wie festgewurzelt
sitzende Rabea geworfen hatte, die noch immer den Kopf des toten Simone auf
ihrem Schoß hielt. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde Lukas durch Pater
Simones Hand behindert, die die seinige im Tode fest umklammert hielt.
Jules
lief auf den mehrmals getroffenen Vollstrecker zu und vergewisserte sich, dass
dieser kein weiteres Unheil mehr anrichten konnte. Er entwand dem Killer die
kleine Waffe, die er selbst im Tode nicht losgelassen hatte, sicherte sie und
steckte sie zu seiner eigenen hinten in den Hosenbund. Er stieß den Mann mit
dem Fuß in die Seite und meinte angewidert: "Der Scheißkerl ist hinüber.
Ich befürchte allerdings, dass ihn selbst die Hölle wieder ausspucken
wird."
Als
er sah, dass Lukas immer noch quer auf Rabea lag und sie förmlich unter sich
begraben hatte, fügte er mit einem anzüglichen Grinsen hinzu: "Du kannst
jetzt wieder von Rabea heruntersteigen, Bruder Lukas."
Lukas
erstarrte mitten in der Bewegung. Jules
Weitere Kostenlose Bücher