Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Rundbogenfenstern unterbrochen wurde. Zwischen den Fenstern befand sich der antike, mit einem filigranen Gitter
verkleidete Radiator aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die Schritte der beiden
Handwerker wurden von einem dicken Perserteppich gedämpft. In der Ecke unter
dem Treppenaufgang führte eine kleine Tür in einen weiteren Raum. Neugierig
drückte Fugga der Jüngere die Klinke herab und stellte fest, dass sie
verschlossen war. Ratlos inspizierten Vater und Sohn die Bibliothek und wussten,
sie saßen in der Tinte. Vater Fugga nahm seine Brille ab und putzte sie umständlich
mit einem riesigen Taschentuch.
„Tja, mein Sohn. Zu früh gefreut. Da dachten wir, dies wäre ein
gut bezahlter und relativ einfacher Auftrag, den wir später als Referenz
einsetzen könnten. Pustekuchen. Jetzt müssen wir die Decke aufbohren und unter
dem zugestellten Mahagoni-Gedöns den weiteren Verlauf der Heizungsrohre finden.
Was machen wir mit den Büchern? Die sehen alt aus und was alt ist, ist
wertvoll. Ich glaube nicht, dass unsere Versicherung zahlt, wenn wir so einen
alten Schinken anfassen und er uns unter den Fingern zerbröselt. Ich hole mir
besser die Erlaubnis, dass wir die Regale ausräumen dürfen.“ Resigniert
schlurfte er zum Hausapparat.
Frau Gabler meinte lapidar, sie könnten die Bücher ruhig auf dem
Perser ablegen, Frau von Stetten hätte nichts dagegen.
Also machten sich die beiden Fuggas tatkräftig an die Arbeit. Auftrag
war Auftrag und der hatte sich, der Größe des Hauses nach, soeben verfünffacht.
Sie wählten das Regal, das dem Radiator gegenüberlag, davon
ausgehend, dass die Heizungsrohre logischerweise nicht im Zickzack über die
Decke verliefen. Als sie die ersten Bücher hinter sich aufgestapelt hatten und
die Rückwand langsam zum Vorschein kam, stellten sie zu ihrem Entsetzen fest,
dass es nicht etwa nach hinten hin zur Mahagonivertäfelung offen war, sondern
eine fest verschraubte Rückwand aus noch mehr Mahagoni besaß, die nun komplett
abgebaut werden musste. Nachdem auch das geschafft war, wischte sich Fugga der
Jüngere mit dem Ärmel seines Arbeitskittels über die feuchte Stirn und meinte:
“Ein Glück, dass wir nach Stunden bezahlt werden.“
„Ja, das ist der lukrativste Auftrag seit langem. Aber auch der
komplizierteste. Wie sollen wir das bloß in einer Woche schaffen?“, seufzte
sein Vater, während er wieder mit seiner Brille spielte. Dann wandte er sich an
seinen Sohn: „Geh du mal voraus in den Keller und sieh dir die Heizungsanlage
an. Ich mache hier weiter.“
Der Vater legte sein Ohr an die Wand und klopfte die freigelegte Vertäfelung
systematisch ab. Dahinter klang es tatsächlich hohl und er suchte einen
Ansatzpunkt, wo er das kostbare Mahagoni aufhebeln konnte, ohne es zu
beschädigen. Mit seinem flachsten Stemmeisen setzte er in der feinen Ritze
zwischen zwei Kassetten an und arbeitete mit größter Achtsamkeit. Er war noch
ein Handwerkermeister der alten Schule, der seinen Beruf mit Hingabe und
Genauigkeit ausübte. Der alte Fugga griff mit seinen großen Handwerkerpranken vorsichtig
nach der lockeren Kassette, hob sie heraus und leuchtete mit seiner Taschenlampe
in die dunkle Öffnung. Auf den ersten Blick sah es nach einer leeren
Nische aus. Dann, als sich seine Augen an das wenige Licht gewöhnt hatten, blühte
ihm eine Überraschung: Weit und breit waren keine Heizungsrohre zu sehen,
sondern Bücher, Bücher und nichts als Bücher. Er glaubte zunächst, an
Halluzinationen zu leiden, ausgelöst dadurch, dass er sich in einem Raum voller
Bücher befand und die letzte Stunde nichts anderes durch die Gegend geschleppt
hatte. Die gesamte Nische war ungefähr bis zur Hälfte damit angefüllt. Merkwürdig
fand er das schon, dass sie sich nicht in den offenen Regalen befanden, sondern
dahinter versteckt. Um sich keinerlei Ärger einzuhandeln, pendelte er erneut zu
dem Hausapparat und drückte die Nummer 2.
Es
dauerte ungefähr drei Minuten bis die Haushälterin, etwas außer Atem, erschien
und die Fugga´sche Entdeckung in Augenschein nahm. Frau Gabler war bei dem
Anblick blass wie Hefeteig geworden. Ihr schwante sofort, dass dies nach Unbill
roch. Sie persönlich hatte es zwar immer nur für ein Gerücht gehalten, aber
offenbar hatten die Handwerker genau das gefunden, wonach der Hausherr seit
Jahrzehnten gesucht hatte. Im gleichen Moment kehrte der junge Fugga, verstaubt
und mit Spinnweben in den Haaren, zurück. Sein schmuddeliger Anblick ließ Frau
Gabler
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