Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Frau das eigenmächtige Handeln bei der Sanierung stante
pede verzeihen würde. Erwartungsgemäß war Evelyn von dem Plan sehr angetan.
Gemeinsam verstauten sie die Bücher in sechs eilends herbeigebrachten
Weinkisten, die sie mit Decken auslegten, um die wertvolle Fracht zu schützen,
und packten sie in den Kofferraum des Mercedes. Zum Schluss holte der Bischof
noch die beiden verschlossenen Blechbehälter aus der Bibliothek und deponierte
sie neben sich auf dem Beifahrersitz. Er verabschiedete sich von seiner
Schwägerin mit den Worten, dass sie sich keine Sorgen machen solle und er sich
in den nächsten Tagen telefonisch bei ihr melden würde.
Vom
Schlafzimmer des Hausherrn aus, beobachtete Fugga der Jüngere interessiert den
Abtransport der Bücher durch einen Geistlichen. Dass es sich um den Bischof von
Stetten handelte, wusste er nicht. Ihm fielen die beiden Schatullen auf, die
der Mann zum Schluss einlud und denen er besonderes Augenmerk zu schenken
schien. Angeregt durch den Fund des offensichtlich geheimen Versteckes, das in
seinem ansonsten ruhig und ohne besondere Vorkommnisse dahin plätschernden
Leben einen Höhepunkt darstellte, dazu noch die Ermahnung der schönen Baronin,
darüber Stillschweigen zu wahren, assoziierte der junge Handwerker in seiner
Phantasie die beiden Behälter mit Schatzkistchen und stellte sich vor, dass sie
Gold und Juwelen enthielten. Damit folgte er unwissentlich der Phantasie
Generationen von Stettens über einen sagenumwobenen Familienschatz.
Zwei
Tage später, im „Gasthof zum Bierkutscher“, als ihm das sechste Bier in den
Kopf gestiegen war, geschah es: Fugga der Jüngere gab eine haarsträubende, mit
Halbwahrheiten gespickte Geschichte vom Fund eines unermesslich wertvollen
Schatzes in der Villa von Stetten zum Besten.
Da
die meisten der Anwesenden den jungen, gutmütigen Handwerker seit Kindertagen
kannten, nahm ihn auch heute Abend niemand so richtig ernst. Fast wäre seine
Vorstellung, wie seine früheren Phantastereien, im bierselig aufsteigenden
Dunst der ewigen Stammtischweisheiten verpufft. Fast. Denn ausgerechnet an
diesem Abend war ein junger, ehrgeiziger Reporter von seiner Freundin zum wiederholten
Male versetzt worden und er ertränkte deshalb seinen Liebeskummer im
Bierkutscher. Nun ließ der Mann den noch halbvollen Humpen sinken, warf hastig
ein paar Münzen auf den Tisch und verließ das Gasthaus ungeplant nüchtern.
Am
übernächsten Morgen erschien ein kleiner Artikel mit dem Titel "Ein
verschollener Schatz im Hause der Familie von Stetten?" in den Nürnberger
Nachrichten. Mehr gab die Geschichte nach Meinung des Ressortleiters nicht her,
da sie keinerlei Quellenüberprüfung vornehmen und sie sich nur auf die Aussagen
des jungen Handwerkers und einer alten Legende stützen konnten, die man sich
noch heute im Nürnberger Raum erzählte: Dass ein Mitglied der Familie von
Stetten einen Schatz beiseite geschafft haben sollte.
Ein
Anruf des Chefredakteurs in der Villa von Stetten ergab, dass Frau von Stetten die
ganze Angelegenheit als lächerlich abtat und selbstverständlich dementierte.
Zunächst
hatte der Artikel jedoch unangenehme Folgen für den Handwerkerbetrieb Fugga,
der bereits fünf Minuten nach dem Anruf des Chefredakteurs bei Evelyn von
Stetten seinen Auftrag verlor. Die Baronin hielt immer, was sie versprach.
Auch
im fernen Rom widmete sich jemand mit Interesse dem Artikel über den angeblichen
Fund eines Schatzes im Hause von Stetten. Besonderes Augenmerk galt dabei jener
Notiz, dass ein Geistlicher diesen abtransportiert hatte.
Rabbi Hood
Rom, drei Monate später
Völlig durchgeschwitzt sperrte Lukas von Stetten, der jeden Morgen
mit einem 10-km-Lauf begann, das Schloss seiner Wohnung auf und stieß eine
Seite des zweiflügeligen Eichenportals auf. Die Wohnung lag mitten im Centro
Storico Roms, in der Via dei Coronari, in der sich um die Jahrhundertwende
viele Antiquitätenhändler angesiedelt hatten. Die bekannte Piazza Navona lag
gleich um die Ecke. Obwohl früh am Morgen herrschte bereits schwüle Hitze in
den Gassen von Rom. Tagsüber heizte sich die Stadt in diesem Sommer oft über 35
Grad auf, nachts kühlte es kaum ab.
Die Wohnung selbst befand sich in einem alten Palazzo, den seine Familie
bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erworben hatte. Vor einigen Jahren war das
gesamte Gebäude saniert und in sechs Wohnungen mit allem erdenklichen Komfort
umgebaut worden. Dabei waren weder Kosten noch Mühen gescheut worden,
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