Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Trance. Dann richtete er seinen
brennenden Blick erneut auf den jungen Jesuiten:
„Dies ist mein Plan: Sobald Sie mir die Dokumente überbracht
haben, werde ich eine Generalkongregation meines Ordens einberufen. Ich werde
dazu auch die internationale Presse einladen und die Dokumente damit
gleichzeitig der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Danach werde ich als
erster Generaloberer in unserer 470-jährigen Geschichte, und im vollen
Bewusstsein meiner geistigen Kräfte meinen Rücktritt erklären. Ich weiß, Pater,
dass ich Ihnen mit meinem Geständnis die schwerste aller Bürden auferlegt habe:
Die Verantwortung für alle Gläubigen des Christentums, vielleicht sogar für das
zukünftige Schicksal der Menschheit, doch es ist unsere heilige Pflicht. Noch
etwas, ich bitte Sie mir bei der heimlichen Vorbereitung der Pressekonferenz zu
helfen, denn ich traue meinem neuen Sekretär nicht. Dies alles muss relativ
kurzfristig geschehen, mein Vorhaben darf keinesfalls zu früh bekannt werden,
man würde ansonsten versuchen, dies mit allen Mitteln zu verhindern.“ Bentivoglio
legte eine kurze Pause ein, um seinem mehr oder minder zwangsrekrutiertem
Mitverschwörer die Gelegenheit zu gewähren, die letzte Äußerung in seiner
ganzen Bedeutung zu erfassen. Er fuhr fort: „Noch etwas, bevor ich Sie entlasse,
von Stetten: Seit über 200 Jahren liegt in der Höhle eine arme, ermordete Seele.
Sie sollte endlich ihre letzte Ruhe in geweihter Erde finden. Im Schließfach werden
Sie auch ein Tagebuch finden, in dem ich die genauen Geschehnisse niedergeschrieben
habe. Bitte beeilen Sie sich und melden Sie sich spätestens morgen Abend bei
mir zurück. Gehen Sie nun, mein Sohn, gehen Sie mit Gott. Wir tun das Richtige.
Deo vult, Gott will es.“
Mit diesen Worten segnete ihn der Pater General, drückte ihm den
winzigen Schlüssel in die Hand und entließ ihn.
Lukas war zügig marschiert und erreichte nun den Parco del Pincio
auf dem Hügel gleichen Namens über der Spanischen Treppe. Im frühen 19.
Jahrhundert wurde er der erste Park, der den Römern eine grüne Oase innerhalb
ihrer Stadt bieten sollte. Von der Terrazza del Pincio konnte man einen der
schönsten Blicke über die ewige Stadt Rom genießen. Vor allem diente er
zahlreichen Liebespaaren als romantischer Treffpunkt. Noch war der Park relativ
leer, aber mit Einbruch der Dämmerung würde er sich schnell mit liebeshungrigen
jungen Römerinnen und Römern füllen. Lukas suchte sich eine unbesetzte Parkbank
im hinteren und stilleren Teil der Anlage, dort wo beinahe 230 antike Büsten
bekannter Italiener aus allen Epochen den Weg säumten. Der Gedanke, dass davon
nur drei Frauen gewidmet waren, schoss ihm durch den Kopf und führte ihn unweigerlich
zu Rabea. Es hätte ihr sicherlich missfallen. Normalerweise hätte er die Ruhe
des Parks auf sich wirken lassen, dem sachten Wiegen der Pinien im Wind
gelauscht. Jedoch zum ersten Mal seit er diesen Ort aufsuchte, hatte er keinen einzigen
Blick für die einfache Schönheit um sich herum. Stattdessen versank er in Erinnerungen
an einen Tag vor mehr als zwölf Jahren. Damals hatte Rabea vor der 10. Klasse
ihren Aufsatz vorgelesen, indem sie auf ihre unnachahmlich sarkastische Art ganz
ähnliche Gedanken formuliert hatte, wie gerade noch der Generalobere der
Jesuiten. Ein leises Lächeln stahl sich in Lukas Mundwinkel: Wer hätte je
gedacht, dass Rabea, die sich vor langer Zeit zur glühenden Atheistin erklärt
hatte, jemals einer Meinung mit einem Kirchenmann wie Bentivoglio sein könnte? Erneut
hatte er ihre klare Mädchenstimme im Ohr, besonders war ihm nachstehende
Passage ihres Aufsatzes in Erinnerung geblieben:
Seit jeher beansprucht die Kirche für sich, auf der Seite der
Guten zu sein. Dagegen sprechen circa sechs Millionen Opfer des Hexenwahns plus
Zehntausende von Katharern bzw. andere so titulierte Ketzer und Galileo
Galilei.
Der Papst ruft im frühen Mittelalter mehrmals zum Heiligen Krieg
auf, Jerusalem das Begehr. Die Kreuzritter sind Feuer und Flamme, selbige üppig
auf ihrem Zug hinter sich her streuend. Die Kirche verspricht: Wenn ein
Kreuzritter in das Heilige Land zieht und möglichst viele Ungläubige
massakriert, dann erhält er einen Ablass auf seine Sünden, von Gott persönlich!
Auch die Beseitigung jeglicher Ketzerei fiel in deren Zuständigkeitsbereich: 1226
ging es gegen die Katharer auf Montségur. Die Ketzer wurden den Kreuzrittern
von den Beauftragten der Kirche wie folgt
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