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Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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verließ er die Kirche. Mittlerweile
war es Nacht geworden und ein wunderschöner, sternenklarer Himmel wölbte sich
wie dunkle Seide über ihm. Mit neuer Energie machte er sich auf den Heimweg in
die Via di Coronari. Kurz vor der Piazza Navona, in der Nähe des Pantheons, kam
ihm laut schnatternd eine Gruppe älterer Touristinnen entgegen. Jede von ihnen
bearbeitete mit Hingabe eine riesige Eistüte. Lukas Magen meldete sich bei
diesem Anblick laut und vernehmlich und er beschloss, dass es eigentlich nichts
Besseres gab als ein Eis, um grüblerische Gedanken zu vertreiben. Es hatte
schon in seiner Kindheit funktioniert. Er steuerte seine Lieblingseisbar an und
gönnte sich die größte Waffel überhaupt. Mit der halb aufgeschleckten Tüte in
der Hand schloss er die Türe zu seiner Wohnung auf.
    Er hatte die Wohnung noch nicht richtig betreten, als ihm bereits
seine Schwester Lucie aufgeregt entgegenstürzte - dicht gefolgt von zwei ernst dreinblickenden
Männern, die er nie zuvor gesehen hatte. Hinter ihnen lehnte Rabea mit
angespanntem Gesicht und verschränkten Armen im Türrahmen zum Wohnzimmer. All
dies registrierte er innerhalb von Sekundenbruchteilen und es signalisierte
ihm, dass hier etwas absolut nicht in Ordnung war. Lucie sprudelte indes los:
    „Lukas, da bist du ja endlich. Wo hast du bloß solange gesteckt?
Die Herren hier sind von der Polizei und warten seit mehr als einer Stunde auf
dich. Sie wollten uns nicht verraten, warum sie hier sind.“
    Lucie und Rabea waren gegen halb acht von ihrem ausgedehnten
Bummel durch die Stadt zurückgekehrt, hatten sich frisch gemacht und soeben
beraten, wie sie den Rest des Abends verbringen wollten, als die beiden Männer
kurz nach acht an der Tür geklingelt, sich als Polizeibeamte ausgewiesen und
nach Pater von Stetten erkundigt hatten. Als Lucie ihnen mitteilte, dass ihr
Bruder nicht zu Hause wäre, und sie auch nicht genau sagen könnte, wann er nach
Hause käme, baten die beiden Herren höflich, aber bestimmt darum, in der
Wohnung auf ihn warten zu dürfen. Als Hausherrin hatte Lucie unmissverständlich
um Auskunft darüber gebeten, um welche Angelegenheit es sich hier handelte, der
jüngere und Wortführer der beiden Herren hatte jedoch äußerst galant um ihr
Verständnis gebeten, dass er hierzu keine Angaben machen könne, da er darüber zuerst
mit Pater von Stetten sprechen müsse. Er wies sich als Commissario Grassa und
seinen Kollegen als Inspektor D´Amico aus.
    Daraufhin hatte Lucie notgedrungen nachgegeben und die beiden zum
Warten in den großen Salon geführt. Der jüngere und auf italienische Art sehr
gut aussehende Beamte hatte es sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem
riesigen Korbsofa sofort bequem gemacht, seine Arme lässig auf der Lehne
ausbreitend. Er vermittelte den Eindruck, mit sich und der Welt äußerst zufrieden
zu sein. Die beiden Freundinnen hatten ihm gegenüber in den beiden Sesseln
Platz genommen.
    Der zweite, ältere Beamte hatte sich kurz prüfend in dem eleganten
Salon umgeblickt und war dann auf kurzen Beinen geschäftig zum großen
Wohnzimmerfenster gestapft, das auf die Via dei Coronari hinausging. Mit einer
Hand den leichten weißen Seidenschal zur Seite schiebend, hatte er seither
regungslos die belebte Straße beobachtet. Ein eingespieltes Team mit genau
verteilten Rollen.
    Auffällig war, dass beide Beamte äußerst elegant gekleidet
auftraten. Trotz der Augusthitze trugen sie komplette Anzüge mit Hemd und
Seidenkrawatte. Rabea, die Lucie in den Salon gefolgt war, musterte die beiden
Beamten mit journalistischer Neugier.
    Der Jüngere besaß die dunkle Hautfarbe und Augen des
Süditalieners, hatte dichtes pechschwarzes Haar und strahlte mindestens so viel
Selbstbewusstsein aus wie Silvio Berlusconi. Er hatte kantige, aber
gleichmäßige Gesichtszüge mit sinnlich vollen Lippen und die Art wie er
lächelte, indem er nur den rechten Mundwinkel leicht anhob, deutete auf eine
Spur von Grausamkeit hin. Alles in allem musste er einen enormen Schlag bei
Frauen haben. Von Anfang an wurde er seiner Rolle gerecht und gebärdete sich
typisch italienisch, sprich, er warf mit feurigen Blicken und schmeichelnden
Komplimenten nur so um sich. Sein gutes Aussehen und die Routine, mit der er sein
Flirtprogramm abspulte, konnten Rabea indes nicht täuschen. Ihr entging nicht,
dass sich hinter seiner vermeintlichen Galanterie konzentrierte Wachsamkeit
versteckte; sie konnte die gefährliche Ausstrahlung eines Raubtieres auf

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