Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
erkennen konnte. Der Späher zog ein
zusammenklappbares Fernglas heraus und fixierte damit das kleine Objekt. Nun steckte
der Priester den Gegenstand zurück in die Brusttasche seiner Jacke und in der tief
stehenden Sonne blitzte er kurz golden auf.
Der Mann entfernte sich, aber so, dass er den jungen Pater noch im
Auge behalten konnte und zog sein abhörsicheres Telefon aus der Tasche. Zeit,
Bericht zu erstatten. Der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung meldete sich
sofort: „Was fällt dir ein Gabriel, mich so lange warten zu lassen. Judas hat
sich bereits vor Stunden bei mir gemeldet. Also, was hast du mir zu berichten?“,
wurde er angeherrscht.
Gabriel antwortete ruhig: „Ich konnte mich leider nicht früher
melden, Protektor. Bentivoglios Unterredung mit von Stetten hat zwei Stunden
gedauert. Gemäß deiner Anweisung bin ich ihm gefolgt. Von Stetten sitzt auf
einer Bank im Parco Pincio und trödelt vor sich hin.“
„Ausgezeichnet, das verschafft uns etwas Zeit. Sonst noch etwas?
Trägt er irgendetwas bei sich, etwas worüber wir gesprochen haben?“
Gabriel hatte sich die gute Nachricht bis zum Schluss aufgehoben:
„Ich habe ihn dabei beobachtet, wie er etwas in seiner Handfläche musterte. Ich
bin mir fast sicher, dass es sich um einen kleinen Schlüssel handelte.“
„Gut, das ist die Information auf die ich gewartet habe. Ich denke,
wir sind auf der richtigen Spur, Gabriel. Ich spreche mit Judas, es wird Zeit
zu handeln. Du bleibst an von Stetten dran. Ich will diesen Schlüssel haben,
aber erst lass uns sehen, was er als nächstes tut. Vielleicht nimmt er uns die
Arbeit ab. Noch etwas: Beordere gleich ein Team zu seiner Wohnung. Ab sofort
möchte ich jedes Wort erfahren, das dort gesprochen wird und über jeden
Bescheid wissen, der dort ein und oder aus geht, verstanden?“
„Gut, ich kümmere mich sofort darum.“
Von Stetten kehrte erst kurz nach 21 Uhr nach Hause zurück. Er
hatte noch eine ganze Weile im Park gesessen und danach entschieden, seinen
Spaziergang fortzusetzen. Vom Pincio aus schlenderte er über die Piazza di
Spagna und erreichte über die Via Sistina die Piazza Barberini. Er hatte keinen
festen Plan, wohin er wollte, sondern lief einfach immer weiter. Beim Gehen versuchte
er, die konfusen Gedanken abzuwehren, die ihn zunehmend bedrängten und die
keine richtige Gestalt annehmen wollten, so als ob eine innere Blockade ihn am
Denken hindern wollte. Die dauernde Anspannung mündete schließlich in starken
Kopfschmerzen.
In einer kleinen Bar an der Piazza Barberini trank er einen
Espresso mit einigen Tropfen Zitronensaft darin, ein altes italienisches
Hausmittel gegen Migräne. Als er die Bar kurz darauf verließ, blieb er zunächst
unschlüssig davor stehen und blickte sich um. Auf der belebten Piazza tobte der
Feierabendverkehr. Gelbe Taxis rasten scheinbar ziellos umher und in seiner
Nähe versuchte eine Gruppe deutscher Touristen vergeblich, an einem
Zebrastreifen die Straße zu überqueren. Ergeben trottete die Gruppe einmal um
den Platz, um an der nächsten Ampel ihr Glück zu versuchen. Der junge Priester
sah ihnen mit einem Anflug von Neid nach. Sie wirkten so unbeschwert in ihren
kurzen Hosen und Sandalen, mit ihren Rucksäcken, Fotoapparaten und dem
obligatorischen Stadtplan in der Hand. Noch am Morgen hatte Lukas zum ersten
Mal seit drei Monaten die Zuversicht verspürt, dass sein Leben sich wieder in
das altvertraute Gleichgewicht pendeln würde. Innerhalb weniger Stunden hatte
sich diese Hoffnung als trügerisch erwiesen. Zunächst war da die neuerliche Begegnung
mit Rabea gewesen, die ihn mehr aufgewühlt hatte, als er je angenommen hatte.
Er gestand sich ehrlich ein, dass er sich die ganzen letzten Jahre etwas
vorgemacht hatte. Zwar schien es ihm gelungen, Rabea aus seinen Gedanken zu
verbannen, jedoch sein Herz hatte sie die letzten Jahre über nicht vergessen.
Trotzdem würde Rabea ihm nicht gefährlich werden. Zu tief hatte er in die
Abgründe ihrer Seele gesehen. Weit gewichtiger lastete auf seinem Gemüt die erschütternde
Lebensbeichte Bentivoglios.
Sein Blick fiel auf die Kirche Santa Maria della Vittoria gegenüber.
Plötzlich wusste er, wie er seinen inneren Frieden zurückerhalten konnte. Raschen
Schrittes eilte er auf die Kirche zu. Bereits als er die kühl dämmrige Kirche
betrat und die Atmosphäre der Ruhe in sich aufnahm, fiel ein Teil seiner
inneren Unrast von ihm ab. Hier würde er Antworten erhalten.
Mit erheblich leichterem Herzen
Weitere Kostenlose Bücher