Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
beschrieben:
„Ein Ketzer betet die Katze an, denn so erscheint ihm der Teufel,
küsst die selbige am Hintern, braut Hexentränke und hurt mit mehreren Frauen
herum.“
Natürlich waren die so genannten Ketzer, die sich selbst wiederum
als die wahren Christen bezeichneten, nicht so dumm, all diese Dinge genau dann
zu tun, wenn ihm zufällig gerade ein Kreuzritter die Aufwartung machte. Ganz
davon abgesehen, dass sie so etwas überhaupt nicht taten. Der Kreuzritter sah
sich also dem Dilemma ausgesetzt: „Wie unterscheide ich einen wahren Christen
von einem wahren Christen, der ein Ketzer ist?“
Da ein Kreuzritter mit Mengenlehre so gar nichts am Helm und meist
noch weniger darunter hatte, löste er das Problem auf seine Weise: mit dem
Schwert, getreu dem Motto, lieber einen guten Christen zu viel als einen bösen
Ketzer zu wenig.
Man muss wissen, zu jener Zeit waren wenige Adlige des Lesens und
Schreibens mächtig. Dafür gab es Sekretäre und Priester. Das Nötige wurde einem
von der Kanzel gepredigt, bitte langsam sprechen, ich bin ein Kreuzritter.
Ist die Hölle überbevölkert von diversen Kreuzfahrerritterheeren,
die sich wundern, wo die Ketzer abgeblieben sind? Gibt es in der Hölle einen
Empfang, eine Art Informationsschalter, wo einem beim Eintreffen erklärt wird,
warum man, mit einem schwer verdientem Sünden-Ablass in der Tasche, statt im
Himmel, trotzdem in der Hölle gelandet ist? Damals galt: Die Kirche denkt und
lenkt, selbst musste man nur glauben, und wenn man nicht glaubte, musste man
zumindest so tun, wenn man nicht wie ein Brathähnchen auf dem Scheiterhaufen
schmoren wollte.
War dann der Glaube der Katharer nicht der eigentliche, der wahre
Glaube, für den sie mutig bereit waren bis in den grausamen Foltertod zu gehen?
Die Katharer haben an das christliche Wirken der Nächstenliebe geglaubt und
danach gelebt. Sie brauchten die Kirche nicht. Jesus hatte auch keine Kirche.
Ich glaube, dass dieser Gedanke eine Hoffnung in sich birgt: Die heutige
Gemeinschaft der Gläubigen mag kleiner sein, aber wer heute glaubt, tut dies
aus Überzeugung und reinen Herzens.
Ist gut nur, was sich selbst für gut hält, d. h. von einer
Mehrheit wie der übermächtigen Kirche, abgesegnet wurde? In der damaligen
Gegenwart jedenfalls war man davon überzeugt, zu den Guten zu gehören...
Vielleicht blicken auch in der Zukunft aufgeklärtere oder sollte
man eher sagen, Leid tragende Generationen? auf uns zurück und definieren uns als
böse? Spätestens dann, wenn die Natur aufgrund unseres achtlosen Umgangs mit
ihr zurückschlägt?
Nur zögerlich kehrte der junge Jesuit aus einer Zeit der
verheißungsvollen Zukunft in die harte Wirklichkeit und dem eigentlichen Grund,
warum er hier auf einer Bank saß, zurück. Unauffällig versicherte er sich, dass
sich niemand in seiner Nähe aufhielt und zog dann den winzigen Schlüssel aus
seiner linken Brusttasche. Er wirkte klein und harmlos, trotzdem hatte er ihm
auf dem ganzen Weg von der via Condotti bis hierher wie ein glühendes Siegel
auf der Brust gebrannt. Bentivoglio hatte sich zwar den Anschein gegeben und
dem jungen Priester die freie Entscheidung überlassen, jedoch hatte die
legendäre, zwingende Kraft des Generaloberen nicht unter seiner schweren
Krankheit gelitten und sein Wille hatte sich Lukas ganz offensichtlich
mitgeteilt. Seit der ungewöhnlichen Aufforderung Bentivoglios, sich heimlich
mit ihm zu treffen, hatte Lukas sich unwohl gefühlt; leider hatte die
Unterredung sich nicht gerade durch gemütsberuhigenden Charakter ausgezeichnet.
Der junge Jesuit kämpfte mit einer Vielzahl an zwiespältigen Gefühlen. Es war
irgendwie seltsam, aber als der Pater General ihm gesagt hatte, dass er spüre,
dass er, Lukas, der Richtige für diese Mission sei, hatte auch ihn eine Art von
merkwürdiger Gewissheit überkommen.
Lukas ahnte nicht, dass ihm jemand den ganzen Weg von der Wohnung
Bentivoglios bis zum Park gefolgt war und ihn von einer schützenden Buchsbaumhecke
aus beobachtete. Sein Verfolger harrte bereits mehr als eine halbe Stunde in
seiner unbequemen Stellung aus. Der Tagtraum des Jesuiten hatte den Mann auf
eine harte Probe gestellt und er hatte schon befürchtet, dass sein Zielobjekt
tatsächlich nur auf der Bank saß, um seinen Gedanken nachzuhängen. Mit großer
Erleichterung hatte er jetzt registriert, wie Lukas etwas aus seiner
Brusttasche hervorholte, das so winzig war, dass er es von seinem
Beobachtungspunkt aus mit bloßem Auge nicht
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