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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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dies bei Hof der Brauch war, sondern weil Danton befürchtete, er könnte eines Tages im falschen Bett landen und damit eine Katastrophe auslösen. So kam es, dass selbst beim geheimsten Stelldichein irgendwo in der Nähe Diener warteten … wenn auch nicht unbedingt da, wo sie der Gegenstand seiner Zuneigung bemerkt hätte. Wenn man ihn morgen allein im Wald aussetzte, wo es kein Mädchen zu umwerben gab und kein Wachhund auf ihn aufpasste, wäre er wahrscheinlich so verwirrt, dass er nicht wüsste, mit welchem Fuß er zuerst auftreten sollte.
    Andovan war da ganz anders. Er war immer schon gern für sich gewesen und hielt sich am liebsten in den Wäldern auf. Durch die Schatten alter Bäume zu reiten und plötzlich auf einen äsenden Hirsch zu stoßen, der nie gelernt hatte, die Menschen zu fürchten … nichts, was Dantons Hof zu bieten hatte, konnte solche Freuden übertreffen. Nachdem Ruricks Frau ihre Schwangerschaft bekanntgegeben und Ramirus festgestellt hatte, dass das werdende Kind männlichen Geschlechts war, hatte sich der Großkönig endlich widerwillig mit Andovans eigenbrötlerischen Neigungen abgefunden und ihm gestattet, sich in den königlichen Wäldern zu tummeln, ohne auf Schritt und Tritt von einer Schar Gefolgsleute bewacht zu werden. Doch diese Erlaubnis galt nur für den Bannwald, in den kein gewöhnlicher Bürger sich wagte. Danton hätte seinem Sohn niemals die Freiheit gewährt, die Andovan jetzt erlebte. Zu tun, was er wollte, zu gehen, wohin er wollte, ohne dass ihn eine Phalanx von Dienern verfolgte … das war ebenso berauschend wie ungewohnt.
    Wäre er nicht dem Tode nahe gewesen, er hätte es sogar genossen.
    Er hatte die überfüllten Städte und die dämmrigen Wälder der östlichen Reiche hinter sich gelassen und strebte nun den wogenden grünen Fluren und den endlosen Weiten der Großen Ebenen zu. Hier waren Bäume eine Seltenheit, die wenigen Dörfer lagen weit auseinander, und die zumeist aus Lehm erbauten Häuser sahen aus, als wären sie aus dem Boden gewachsen. Die Menschen waren im Allgemeinen gastfreundlich – anders als die Bauern im Osten, die oft erst schossen, wenn sie einen Fremden sahen, und hinterher Fragen stellten – und mehr als einmal bekam er sein Nachtlager dafür, dass er den neuesten Klatsch erzählte oder Ratschläge gab, wie man die wilden Pferde dieser Gegend am besten an den Zügel gewöhnte.
    Bei Nacht spannte sich der Himmel über dem Grasland wie mit Diamanten geschmückt von Horizont zu Horizont und schien unendlich zu sein, anstatt nur bis zu den himmlischen Sphären zu reichen, wie es die Gelehrten verkündeten. Der Anblick war seltsam ernüchternd. Andovan wusste, dass das Volk seiner Mutter in einer ähnlichen – wenn auch viel kälteren – Landschaft herangewachsen war und seine fremden, grausamen Götter unter dem gleichen glitzernden Firmament verehrte. Außerdem sollten die Götter des Nordens ihr – und damit auch Andovans – Geschlecht vor allen anderen ausgezeichnet und ihm geheime Kräfte verliehen haben, damit es gewappnet war für den Tag, an dem es gebraucht würde, um die Welt zu retten.
    Aber es war nicht leicht, sich als Retter der Welt zu fühlen, wenn einem die Schwundsucht alle Kräfte entzog. Und es war schwer, sich an irdischen Dingen zu freuen, wenn einem der Tod im Nacken saß. Und so strebte er, den verworrenen Träumen gehorchend, die ihn zu führen versprachen, weiter nach Westen.
    Was war das für ein Zauber, mit dem ihn Colivar belegt hatte? Wie sollte er wirken? Der Magister hatte ihm keine Einzelheiten verraten, sondern nur gesagt, er würde ihn für seine Mörderin »empfänglich« machen. Wie sollte er das verstehen? Wie war die Frau denn überhaupt mit ihm verbunden? Würde er sie erkennen, wenn er sie sähe? Mit diesen und anderen Fragen schlug er sich während der langen, einsamen Stunden herum. Er wünschte sich Colivar herbei, damit der ihn beriete, und wusste doch, dass er dem Magister aus dem Süden nicht trauen durfte. Der Mann war immerhin der Feind seines Vaters, und Andovan hätte sich niemals an ihn um Hilfe gewandt, hätte er nicht befürchtet, dass jeder andere Magister Danton von seinen Absichten erzählt hätte. Nur bei Colivar konnte er darauf bauen, dass er Stillschweigen bewahrte.
    Dennoch hatte er das gierige Funkeln in den Augen des Magisters gesehen, als er ihm seine Pläne eröffnete, und mit sicherem Instinkt – dem sechsten Sinn aller Angehörigen eines königlichen Hauses – erkannt,

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