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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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dass Colivar ebenso erpicht darauf war, diese Frau kennenzulernen, wie er selbst. Woraus folgte, dass Colivar seine eigenen Gründe hatte, ihm in dieser Sache treu zu dienen. Das war Magisterart.
    Jedenfalls hatte Danton es ihn so gelehrt.
    Bei Nacht hatte er finstere, manchmal grauenhafte Träume von Dämonen, die ihm bei lebendigem Leibe das Fleisch von den Knochen rissen und sich daran gütlich taten, und von weiblichen Teufeln, die ihn nicht nur seiner Männlichkeit beraubten. Aus solchen Albträumen erwachte er zitternd und in kalten Schweiß gebadet. Einerseits wünschte er, sie würden aufhören, doch andererseits suchte er so verzweifelt nach Antworten, dass er sich auch nach dem Erwachen an die Bilder klammerte und jede Einzelheit im Geiste hin und her wälzte wie ein Kind, das am Strand die Steine umdreht, weil sich darunter kleine Tiere verstecken könnten. Doch er fand keinen Sinn in den Träumen, sie waren schlicht und einfach Ausdruck seiner Ängste. Keinesfalls boten sie irgendwelche Hinweise, die ihm helfen konnten, die Urheberin seiner Krankheit zu finden, falls eine solche Person denn überhaupt existierte.
    Das offene Weideland ging in eine Wildnis über, einen Irrgarten aus vielfach gewundenen Schluchten, der die Westgrenze von Dantons Reichsgebiet bildete. Andovan musste, um dieses Labyrinth zu durchqueren, einen ortskundigen Führer anheuern, der wusste, welche der Pfade nicht im Kreis herum gingen oder am oberen Rand eines tiefen Abgrunds endeten. Die Wege waren beschwerlich, sein Pferd war müde, und erst, als sie die andere Seite dieses Ödlands erreicht hatten und der Führer sich verabschiedete, erkannte Andovan, wo er sich eigentlich befand.
    Westlich von ihm ragten, im Schein der Nachmittagssonne unheimlich rot erstrahlend, hohe Berge in den Himmel. Es war das Blutgebirge, das seinen Namen angeblich den Rotahornbäumen an seinen unteren Hängen verdankte, welche die gesamte Kette mit ihrem satten Dunkelrot überzogen. Zumindest hatte es Andovan zu Hause so gelernt. Doch hier draußen beteuerten die Einheimischen, für den Namen gebe es eine ganz andere Erklärung, er sei ein Andenken an die Grausamkeit, mit der Dantons Heerscharen einst über diese Region hergefallen seien. Die Grenze sei mit Blut gezogen worden, sagten sie, und die Götter hätten sogar die Bäume rot gefärbt, auf dass die Kinder der Opfer des Großkönigs dessen Morde niemals vergäßen.
    Hätten sie gewusst, dass Andovan einer von Dantons Söhnen war, sie hätten sein Blut wahrscheinlich gleich dazugegossen.
    Als er jetzt im Schatten eines riesigen Ahorns stand, der seine Blätter wie dunkelrote Hände nach dem Sonnenlicht reckte, erfüllte ihn eine Mischung aus Erschöpfung und Scheu. Hier war das Reich seines Vaters zu Ende, hier fingen die Länder jenseits davon an. Das bedeutete, die Frau, die er suchte, befand sich an einem Ort, wo das Geschlecht derer von Aurelius nichts zu sagen hatte. War sie vielleicht von einem äußeren Feind des väterlichen Hauses entsandt worden, um Dantons Familie zu schaden? Andovan konnte sich keinen anderen Grund vorstellen, warum jemand, der so weit weg war, ihn mit dieser Krankheit geschlagen haben sollte. Wenn es denn tatsächlich so gewesen war.
    Wenn meine Träume Wahrträume sind, ist sie da draußen. Und ich werde sie finden.
    Ein großer Habicht kreiste über ihm, als er sein Lager aufschlug, die braunen Schwingen glänzten im letzten Sonnenlicht. Der Vogel war jedoch weggeflogen, bis Andovan sein Pferd und sich selbst versorgt hatte und sich zum Schlafen niederlegte.
    In dieser Nacht träumte er von der Frau, die er verfolgte.
    Dunkel, so dunkel sind die Straßen; die schmalen Türme drängen dicht heran und schließen das Sonnenlicht aus. Am Boden kauert ein Betteljunge, seine helle Haut ist verkrustet mit halb verheilten Narben einer früheren Seuche, aus den blutunterlaufenen Augen spricht der Hunger. Neben ihm steht, hager und verzweifelt, eine Frau, die von den vorübergehenden Patriziern Münzen aus ihren Börsen erbettelt; sie schreit ihnen zu, sie hätte eine jungfräuliche Tochter von anziehendem Äußeren, falls die Lust sie eher bewegen könnte als das Mitleid. Dann verblasst das Bild, die Straße ist leer, und die Frau war niemals hier, außer vielleicht in seinen Träumen.
    Ein einzelner Turm ragt vor ihm auf, ein bizarres Bauwerk, das außer im obersten Stockwerk nirgendwo Türen oder Fenster hat. Nicht weit davon strecken ein Dutzend kleinerer Türme wie

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