Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
der am Fuß des Bettes bereitlag, streifte ihn über und ging zur Tür. Die Monde waren längst untergegangen, doch als sie das Schlafgemach verließ und im Gehen die Arme in die Ärmel steckte, sickerte das erste graue Morgenlicht durch das Fenster. Vor ihrem Zimmer fuhren zwei Zofen in die Höhe und versuchten so zu tun, als hätten sie nicht eben noch geschlafen, und die beiden Gardisten, die vor dem Eingang zu ihrer Wohnung postiert waren, standen stramm, sobald sie ihrer ansichtig wurden. Gwynofar beachtete sie nicht. Sie sah nichts und niemanden. Sie wusste, dass die Person, mit der sie jetzt sprechen musste, zu ihr kommen würde. Durch seine magische Verbindung würde er ihre Erregung spüren und wissen, dass sie ihn brauchte, und er würde aufwachen und sie aufsuchen.
Er hatte zwar versprochen, in Salvators Palast keine Zauberei einzusetzen, doch tat das in diesem Moment nichts zur Sache. Sie kannte ihren Sohn inzwischen so weit, dass sie einschätzen konnte, wann und wo dieses Gelübde gebrochen werden durfte. Außerdem hatte Salvator ihm erlaubt, seine magischen Fähigkeiten zur Beförderung zu nützen, und das war es schließlich, was sie von ihm wollte.
Sie bog um eine Ecke, und da stand er auch schon und wartete auf sie. Die schwarze Robe war im schwachen Dämmerlicht kaum zu erkennen, aber sein weißes Haar und der Bart schienen von innen heraus zu leuchten. So hatte sie ihn oft genug als Kind gesehen: ein vertrauter und beruhigender Anblick.
»Majestät?« Seine Augen waren besorgt zusammengekniffen.
»Keirdwyn«, stieß sie hervor. Ihr Herz schlug so heftig, dass sie kaum sprechen konnte. »Ich muss nach Keirdwyn, Ramirus.«
Er zögerte nur kurz, dann nickte er und schloss die Augen. Gwynofar hatte den Eindruck, als würde er sich auf etwas konzentrieren. Sie kannte die protokollarischen Regeln der Zauberer gut genug, um zu wissen, dass er zuerst Keirdwyns Königlichen Magister benachrichtigen musste – war das jetzt Lazaroth? –, bevor er in das Revier dieses Mannes eindrang, aber es fiel ihr schwer, selbst diese kleine Verzögerung zu akzeptieren. Sie schritt ungeduldig vor ihm auf und ab, voller Angst, die kostbare Erkenntnis könnte verblassen, bevor sie Gelegenheit fände, sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
Endlich schlug er die Augen wieder auf. Sein Gesichtsausdruck war ruhig und heiter, und sie bemühte sich, aus dieser Heiterkeit Kraft zu ziehen. Er musterte sie von Kopf bis Fuß, schüttelte missbilligend den Kopf, ließ mit einer Handbewegung ihr Nachthemd verschwinden und ersetzte es durch ein schlichtes Tageskleid aus sommerlich leichter Wolle. Das vom Schlaf zerwühlte Haar wurde mit derselben Macht geglättet und gescheitelt, und ein schmaler Goldreif mit dem Aurelius-Wappen thronte wie gewohnt über ihrer Stirn.
»Jetzt könnt Ihr Euch im Haus Eures Vaters sehen lassen.« Vor ihr begann die Luft zu flimmern und sich wie Wasser zu kräuseln. »Kommt«, sagte er und reichte ihr seine Hand. Sie nahm sie und schritt gemeinsam mit ihm durch das Portal.
Hinter ihnen erschien aus dem Nichts ein Blatt Papier und flatterte langsam zu Boden. Salvator , stand darauf. Bin mit Ramirus in Keirdwyn. Kehre bald zurück. G.
Als die Nachricht auf dem Boden ankam, war das Portal bereits verschwunden.
»Der Protektor von Alkal wollte ihn natürlich behalten.« Stevan Keirdwyn wirkte zerstreut, er suchte nach dem richtigen Schlüssel am Ring. »Fast hätte er deshalb noch einen Krieg angefangen. Aber letzten Endes blieb ihm eigentlich keine Wahl. Wir erklärten ihm, nachdem ein Mitglied des Hauses Keirdwyn sein Geheimnis aufgedeckt habe und womöglich immer noch in einer magischen Verbindung dazu stehe, gehöre er in Keirdwyns Obhut.« Er entschied sich endlich für einen großen Messingschlüssel, steckte ihn in das Schloss der eisenbeschlagenen Tür und drehte ihn im Uhrzeigersinn. Die Riegel wurden mit lautem, metallischem Klirren angehoben. »Wenn ich ehrlich sein soll, ging es mir weniger um dich als darum, dass die Seelenfresser vor seiner Nase in sein Land eingedrungen waren, ohne dass er es bemerkt hatte. Unersetzliche Kostbarkeiten sollten nicht von Idioten gehütet werden.«
Er griff nach der schweren Tür und zog sie auf. Gwynofar und Ramirus traten zurück, um Platz zu machen. Hinter der Schwelle befand sich ein dunkler, fensterloser Raum; in der Mitte war schemenhaft ein großer Gegenstand zu erkennen. Einzelheiten konnte man nicht unterscheiden.
Lord Keirdwyn
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