Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
kontrollieren. In ihrem Kopf hämmerte es, ihr Herz klopfte wild. Alles begann sich um sie zu drehen. Der Ring fiel ihr aus der Hand.
»Mit einer Frau hätte ich allerdings nicht gerechnet«, sagte die Stimme nachdenklich.
Vor Kamala stand eine Gestalt in einem schwarzen Gewand. Magisterschwarz. Das Gesicht wurde von einer tiefen Kapuze überschattet, aber die Stimme war ihr irgendwie vertraut. Vergeblich bemühte sie sich, ihre Gedanken so weit zu sammeln, um sie einordnen zu können. Die Vergangenheit verschwamm zusehends, und einzelne Erinnerungen abzurufen war unmöglich. Sie spürte nur, wie ihre Hand brannte, wo Colivars Ring sich hineingedrückt hatte, und glaubte verfolgen zu können, wie das darin enthaltene Gift durch ihre Haut und in ihren Blutkreislauf einsickerte.
Wie hatte sie so töricht sein können?
Sie schaute zu der Gestalt auf und bemühte sich, Worte zu formen. Eine Frage vielleicht. Oder einen Fluch. Aber sie wusste nicht mehr, wie man sprach, und nur ein erstickter Aufschrei kam über ihre Lippen. Dann senkte sich ein dichter, zäher Nebel auf sie herab, legte sich Schicht für Schicht um sie, und es gelang ihr nicht, sich zu befreien.
»Widerstand ist zwecklos«, warnte der Magister. »Er vergrößert nur die Schmerzen.«
Danach hörte sie nichts mehr.
Kapitel 24
»Salvator Aurelius, Sohn des Danton Aurelius, Großkönig, emeritierter Priester, Angehöriger der Einen Wahren Kirche.«
Die Worte wurden von der gewölbten Decke zurückgeworfen und schallten durch die hoch aufstrebenden Bögen des Heiligtums. Auf dem blanken Steinboden wechselten sich Lichtstreifen, die durch die hohen schmalen Buntglasfenster fielen, mit scharfen Schattenbändern ab. Gegenüber dem Eingang waren auf einem erhöhten Podest in U-Form neun Thronsessel aufgestellt, vier an jeder Seite und einer ganz hinten. Von den Männern an den Seiten trug jeder eine lange Robe und einen steifen Hut aus weinroter Wolle, auf der Brust prangte zwischen den schmalen Streifen einer Priesterstola das Medaillon des Rates der Primi. Die einzige Frau war ebenso gekleidet, lediglich ihre zierliche Gestalt verriet ihr Geschlecht. Abgesehen von der Kleidung gab es freilich auffallende Unterschiede. Salvator erkannte den schwarzhäutigen Primus Naga, breitschultrig und unerschütterlich wie ein Felsen; den milchblassen Primus Argentus mit dem Haar wie gesponnenes Gold; und den rotwangigen Primus Pisaro mit den Schlitzaugen und den Pockennarben im Gesicht. Den anderen war er noch nicht begegnet, ihr Aussehen verriet allerdings deutlich, dass sie aus allen Winkeln der bekannten Welt gekommen waren. Eine solch prominente Versammlung war wahrhaft selten.
Jener Mann, der gesprochen hatte, stand an der Rückseite des Saales. Der hochgewachsene Primus Soltan war schon ohne die Amtsrobe eine imposante Gestalt, mit ihr wirkte er doppelt einschüchternd. Seine kraftvolle, ernste Stimme verriet Autorität. Salvator war ihm zwei Mal begegnet, einmal, als er zum Priester gesalbt wurde, und später bei seiner Krönung. Der Mann hatte ihn beeindruckt, und das wollte etwas heißen; der Sohn eines Danton Aurelius war schließlich nicht leicht zu beeindrucken.
Vor Soltan kniete eine junge Frau. Sie hielt den Kopf gesenkt und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Zweifellos eine Hexe, die aus freien Stücken einen Teil ihres Lebens opferte, um dem Rat bei diesem Treffen beizustehen. Wahrscheinlich stellte sie eine mentale Verbindung zwischen den Primi her, sodass diese heimlich beratschlagen konnten, während Salvator vor ihnen stand. Aber das war nur eine Vermutung.
»Ihr habt uns aus allen vier Himmelsrichtungen zusammengerufen«, verkündete Soltan feierlich mit einer Spur von Angriffslust in der Stimme. »Für einige von uns eine weite und in einigen Fällen auch kostspielige Reise. Nun sind wir hier, um den Worten des Büßerkönigs zu lauschen. Welches Anliegen rechtfertigt eine solche Zusammenkunft?«
Angesichts einer so förmlichen Aufforderung war Salvator froh, dass er zu diesem Anlass seine prächtigsten Staatsgewänder angelegt hatte. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, in einer schlichten Kutte und ohne Schmuck hierherzukommen, um zu demonstrieren, dass er sich immer noch als Gottes demütiger Diener betrachtete. Doch Gwynofar hatte diese Idee umgehend verworfen, und in solchen Fragen vertraute er ihrem Instinkt. Also stand er nun in seiner Königsrobe aus schwarz-goldenem Damast vor den Kirchenfürsten, und der doppelköpfige
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