Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
Aurelius-Habicht prangte auf seiner Brust. Danton wäre stolz auf ihn gewesen. Die seidene Pracht stand in krassem Gegensatz zu den drei wulstigen Seelenfresser-Narben in seinem Gesicht und machte die Verletzungen noch auffälliger.
Wenn du auftrittst wie ein Großkönig , hatte seine Mutter gesagt, dann wirst du auch wie ein Großkönig behandelt. Gwynofar Aurelius, die königliche Garderobiere. Sie hatte wieder einmal recht behalten.
»Geehrte Primi.« Er neigte den Kopf, höflich, aber nicht zu tief. Für den Umgang zwischen einem Großkönig und seinem Primus gab es kein festes Protokoll und folglich auch keine Präzedenzfälle, an denen sie sich hätten orientieren können. Er musste diesem Mann den Respekt erweisen, der ihm gebührte, ohne sich allzu unterwürfig zu zeigen. Es war eine Gratwanderung.
Allein die Tatsache, dass all die auswärtigen Primi seinem Ruf Folge geleistet hatten, war ein gewaltiges Zugeständnis an seine Stellung. Irgendwann würde er den Preis dafür zu zahlen haben.
Einst waren wir Brüder im Glauben , dachte er. Jetzt sind wir politische Gegner.
»Brüder im Dienste des Schöpfers«, begann er. »Ich danke Euch, dass ich zu Euch kommen darf. Der heutige Tag vereint die Kirche und das Großkönigtum im Geist des Glaubens zu einem gemeinsamen Ziel. Möge der Schöpfer meine Worte, gesprochen in demütiger Unterwerfung unter seinen Willen, gnädig aufnehmen.« Er sah, wie mehrere Primi die Lippen bewegten, und konnte ihren stummen Segen fast hören: Amen.
»Wie Eure Eminenzen wissen, wurde zu Anfang dieses Sommers die uralte Barriere in den Nordlanden durchbrochen, und eine Kolonie von Seelenfressern drang in die Reiche der Menschen ein. Büßer und Heiden waren gleichermaßen bereit, sie zu bekämpfen und notfalls auch ihr Leben hinzugeben, um den menschlichen Lebensraum zu verteidigen, doch die Ungeheuer griffen nicht sofort an. Vielmehr verschwanden sie im Nebel, um in Einsamkeit ihre Kräfte für einen großen Krieg zu sammeln.
Seit nun die Kirche dem Kampf gegen diese Kreaturen ihren Segen erteilt hat …« Er nickte den Primi als den Stellvertretern dieser Institution kurz zu. »… bemühe ich mich an vorderster Front, sie ausfindig zu machen und alles über sie in Erfahrung zu bringen, was wir wissen müssen, um sie für alle Ewigkeit in die Hölle des Zerstörers zu stoßen. Denn so wie Gott diese Kreaturen in die Welt gesetzt hat, um die Menschheit auf die Probe zu stellen, so wird Er sie empfangen, wenn die Prüfung vollendet ist, um sie im Feuer der Ewigen Qual zu braten, bis das Universum selbst erlischt.
Ihr wisst von der jüngsten Schlacht in meinem Land, bei der die Königin des Nordens vernichtet wurde, und ich habe alles mit Euch geteilt, was wir an diesem Tag in Erfahrung bringen konnten. Heute komme ich mit neuen Erkenntnissen zu Euch … und mit einer Bitte.«
Er sah, wie Soltan langsam eine Augenbraue hochzog. Wie viel Gedankengeflüster mochte ihm gerade auf den Schwingen der Hexerei zugetragen werden? Für jede Bemerkung bezahlte diese Hexe mit einer kostbaren Sekunde ihres Lebens. Ein hoher Preis für solche Heimlichkeiten.
»All jene, welche die Kreaturen am besten kennen, konnten wir dazu bringen, uns ihr Wissen zur Verfügung zu stellen«, fuhr Salvator fort. »All jene, die über magische Artefakte verfügen, haben uns ihre Tore geöffnet. All jene, die in der Lage sind, die Ungeheuer aufzuspüren, werden sich bald auf die Suche machen, und sobald sie Erfolg haben, müssen wir zum Handeln bereit sein.
Nur eine einzige Seelenfresser-Königin ist noch übrig. Wenn sie getötet wird, stirbt die ganze Art aus. Kann sie jedoch Eier legen und neue Königinnen hervorbringen, ist diese Gelegenheit ein für allemal vorbei. Dann stehen uns die zweiten Finsteren Zeiten bevor. Das darf nicht geschehen.
Wir stehen unter einem enormen Zeitdruck. Meine Quellen schätzen, dass die neue Königin in einem halben Jahr paarungsreif sein wird. Vielleicht schon früher. In Ländern, die von Stürmen oder Schneefällen heimgesucht werden, lassen sich keine langen Kriege führen. Je nachdem, wo sich die Seelenfresser aufhalten, könnte lediglich ein kurzes Zeitfenster zur Verfügung stehen, falls ein militärisches Eingreifen erforderlich wird. Wovon ich überzeugt bin. Die junge Königin ist angeblich mit Siderea Aminestas verbündet« – bei dem Namen ging ein Ausdruck des Abscheus über etliche Gesichter – »und sie ist eine kluge und mächtige Frau, die nahezu
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