Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
geheilt.
»Wenn man bedenkt, wie du angefangen hast«, fuhr er fort, »hätte ich nie gedacht, dass du es so weit bringst. Ich bin aufrichtig beeindruckt.«
Zunächst verschlug es ihr die Sprache. Sie ging unwillkürlich ein paar Schritte auf ihn zu, dann hielt sie inne. »Was weißt du von meinen Anfängen?«, flüsterte sie.
»Nicht viel«, räumte er ein. »Die Nachforschungen waren schwierig. Du hast deine Spuren gründlich verwischt. Aber ich fand Berichte über eine Elanti-Sklavin, die sich über mehrere Besitzer nach Norden hochgearbeitet hatte. Etwa um die gleiche Zeit tauchtest du in Sankara auf.« Er warf einen Blick auf Nasaan. »Die Elanti waren besondere Sklaven, die eigens für Liebesdienste gezüchtet und ausgebildet wurden. In manchen Gegenden sehr begehrt. Die betreffende Sklavin war angeblich besonders erfahren.«
»Das geht ihn doch nichts an!«, rief sie. Jetzt zitterte sie aus einem anderen Grund vor Zorn. »Seltsam ist bei dieser Sklavin«, fuhr Colivar fort, »dass alle ihre Besitzer auf rätselhafte Weise zu Tode kamen. Natürlich wurden immer Gründe angegeben – einer hatte einen Unfall, ein zweiter eine Lungenkrankheit, ein dritter fiel auf Reisen unter die Räuber –, und die Sklavin ging jedes Mal in den Besitz eines noch reicheren Mannes über. Wahrscheinlich hatte sie einfach nur Glück.«
»Das interessiert doch heute niemanden mehr«, zischte sie. Und bewegte ihre Finger, als hätte sie Klauen anstelle von Fingernägeln.
»Irgendeiner war so vernarrt in sie, dass er ihr die Freiheit schenkte und sie in die Freien Lande brachte. Er hatte vor, sie zu seiner Gemahlin zu machen … doch welch ein Jammer: Auch er musste sterben. An einem Sommerfieber, wie man hörte.« Er schüttelte den Kopf. »Die Spur der Sklavin verliert sich etwa zu der Zeit, als du nach Sankara kamst. Könnte da womöglich eine Verbindung bestehen?«
Sie war so wütend, dass sie nicht sprechen konnte. Ihre Ikata verstand nicht, was geschehen war, aber sie hatte keine Zeit, es ihr zu erklären. Sie wandte sich nach innen, zog abermals ihre Macht an sich …
… und hörte die Klinge erst in dem Moment durch die Luft zischen, als sie auch schon ihren Hals traf …
… und es dunkel wurde.
Die beiden Männer standen schweigend da und musterten Sidereas kopflosen Körper. Endlich bückte sich Nasaan, wischte sein Schwert an ihrem Gewand ab und steckte es rasch in die Scheide zurück. Dann sah er Colivar an. »Wenn ich gewusst hätte, dass sie sterblich ist, hätte ich das schon längst getan.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Danke.«
Vor dem Fenster verklangen die Schreie der Seelenfresser in der Ferne. Kamala hatte sie fortgelockt. Colivar hatte nicht mitbekommen, wann der Lärm begonnen hatte. Das raffinierte Katz-und-Maus-Spiel mit Siderea hatte seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Doch der letzte Zug hatte sich ausgezahlt. Er wusste nicht, was sie vorgehabt hatte, aber die jähe Erkenntnis, dass ihre Geschichte in ihrer ganzen mörderischen Pracht bekannt war, hatte sie aus ihrer Konzentration gerissen. Jedenfalls so lange, dass Salvators Leute ihren Plan ausführen konnten. Und so lange – und damit hatte er nicht gerechnet –, dass Nasaan sie töten konnte.
Törichtes Weib. Ich habe deine Geheimnisse schon vor Jahren aufgedeckt. Hast du vergessen, dass einen Magister nichts mehr reizen kann als ein Geheimnis?
Colivar sah sich um. Der Raum war über und über mit Blut bespritzt. Dann entdeckte er Nyuku, der zusammengesunken vor dem Waffenständer lag. Er war noch nicht tot, obwohl Siderea das angenommen hatte. Erneut wallte der Hass in ihm auf, begleitet von dem primitiven Wunsch, seinem Gegner die Kehle durchzubeißen. Aber seine Rechnung mit Nyuku war noch immer nicht beglichen.
Er sah Nasaan an. »Tötet ihn nicht. Noch nicht.«
Der Fürst zog fragend eine Augenbraue hoch, dann nickte er.
Colivar sprang auf das Fenstersims. Vor dem Palast hatte sich, angezogen vom Lärm des Kampfes, eine Menschenmenge versammelt, doch die Leute blieben in sicherem Abstand. Jedenfalls glaubten sie das. Er hielt auf der breiten Steinplatte kurz inne, schaute hinab und stellte sich vor, welchen Anblick er wohl bot in seiner blutbespritzten Kleidung und mit dem offenen schwarzen Haar, das im Wind flatterte. Der Gedanke bereitete ihm ein diebisches Vergnügen.
Willst du das wirklich tun? , fragte er sich. Er schloss kurz die Augen, ein Schauer überlief ihn, und er war sich seiner Sache
Weitere Kostenlose Bücher