die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
Schwert zu nehmen und ihn mit der linken Hand zu erstechen, wenn man so ein Szenario tatsächlich in Betracht ziehen würde.
Wenn er hinter ihr hochkletterte, fiel er vielleicht herunter. Oder wenn er sie fand und beschloss, dass er sie nicht vom Baum holen konnte, blieb er vielleicht unten stehen und wartete darauf, dass sie herunterkam. Irgendwann würden andere Kalindonier eintreffen, die nach ihr suchten – vielleicht Kalindonier mit Pfeil und Bogen.
Oder vielleicht nur Coranna. Er konnte die unbewaffnete alte Frau leicht umbringen oder sie als Köder benutzen, um Rhia aus dem Baum zu locken, und sie dann beide umbringen. Das Risiko konnte sie nicht eingehen.
Wenn sie bloß Krähe beschwören könnte, diesen Mann auf die andere Seite mitzunehmen. Ihr Geist bebte bei dem Gedanken daran, solche Macht zu benutzen.
Plötzlich kam der Nachfahre zwischen den Zweigen in Sicht. Sein Hemd war mit noch mehr Blut befleckt, etwas davon sickerte auch aus seinen eigenen Wunden. Er humpelte merklich, und das rechte Bein seiner Hose war aufgerissen und blutig.
„Wo bist du?” In seiner Stimme schwangen Panik und Wut mit. „Wenn du nicht herauskommst, bringe ich jeden in Kalindos um. Wir waren einverstanden, euer Dorf in Ruhe zu lassen, wenn Razvin uns alles erzählt, was er von Asermos weiß, aber da er tot ist, sehe ich keinen Grund, mich an die Abmachung zu halten. Es sei denn natürlich, du kommst mit mir.” Er lehnte sich gegen den Baumstamm und atmete schwer. „Ich werde dich nicht umbringen, das verspreche ich. Ich zeige dir prächtige Dinge, wie du sie dir nicht vorstellen kannst. Du musst nicht mehr wie eine Wilde leben.”
Er legte eine Hand an den Kopf, zog sie fort und betrachtete das frische Blut daran. Schwankend richtete er sich auf und murmelte vor sich hin.
„Du kannst nicht weit gelaufen sein, nicht in so kurzer ...” Links von Rhia zerbrach ein Zweig, und der Nachfahre wirbelte herum. Es sah mühsam aus, wie er sein Schwert hob und in Richtung des Geräusches davonstürmte. In seiner Eile bemerkte er das Eichhörnchen nicht, das einen nahen Baum hinaufhüpfte – ein Eichhörnchen, das wahrscheinlich für das Geräusch verantwortlich war.
Aus der Ferne erreichte ein wütender Aufschrei ihre Ohren. Vielleicht war er dabei, sich im Wald zu verlaufen. Geschah ihm recht, wenn er von einem Bären oder Puma gefressen wurde oder über eine giftige Schlange stolperte.
Als sie weder seine Stimme noch seine Schritte mehr hören konnte, kletterte Rhia rasch vom Baum und rannte, so schnell sie konnte, zurück nach Kalindos.
Sie sah Alanka am Rand des Dorfes, wo sie einen großen Vogel rupfte und reinigte. Rhia blieb stehen und drehte sich dann um, um sich dem Dorf aus einer anderen Richtung zu nähern.
Zu spät. Alankas empfindliche Ohren hatten sie gehört, ehe sie einen weiteren Schritt gegangen war. Sie begrüßte Rhia und winkte sie zu sich. Schlagartig verging ihr das normalerweise fröhliche Lächeln, als sie Rhias Gesicht sah.
„Was ist denn mit dir passiert?”
Rhia befühlte ihre Wange und erinnerte sich an den festen Schlag, den der Nachfahre ihr versetzt hatte. Der Schmerz im Arm hatte das überschattet. „Das ist nichts. Alanka ...”
„Wer hat dir wehgetan?”
Stumm stand Rhia da. Wo sollte sie anfangen?
„Rhia, du machst mir Angst.” Alanka schüttelte Rhias rechten Arm, und die schrie vor Schmerzen auf. „Was ist los? Sag mir, was passiert ist.”
Rhia blickte auf Kalindos. Sie musste es den anderen rasch erzählen, damit sie Asermos warnen konnten. Aber Alanka hatte verdient, es zuerst zu hören.
Sie deutete auf den umgefallenen Baumstamm, auf dem Alanka gesessen hatte. Gemeinsam setzten sie sich, und Rhia nahm ihre Hand.
„Ich habe gerade deinen Vater gesehen.”
„Und?”
„Er hat sich mit einem Mann getroffen. Einem aus der Stadt der Nachfahren. Ein Soldat, glaube ich.”
Alanka entzog Rhia die Hand. „Nein. Er hat nichts mit ihnen zu tun. Sie treiben nicht einmal Handel mit uns.”
„Er hat nicht gehandelt, jedenfalls nicht mit Waren. Er hat -er hat dem Nachfahren über die Asermonier und ihre Gaben Bericht erstattet.”
Alankas Augen wurden groß. „Warum?”
„Damit sie uns überfallen können.”
„Nein!” Alanka sprang auf. „Das würde er nie tun. Er ist ein guter Mann.”
„Er hat einen Handel geschlossen, um Kalindos zu beschützen, um dich zu beschützen.”
„Nein!” Sie blieb auf der Stelle stehen und wandte sich in die Richtung, aus der
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