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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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es kommen sehen?”, fragte Rhia ihn.
    „Die Bilder waren zu undeutlich. Jetzt ist alles klarer. Es gibt aber immer noch Teile, die nicht passen.” Er wandte sich ihnen zu. „Ich brauche Zeit für mich allein, um herauszufinden, was das alles bedeutet.”
    „Geh nach oben”, sagte Rhia. „Wir machen den Abwasch.” Die vier Geschwister wuschen und trockneten die Teller, ohne zu sprechen. Dieses eine Mal tat Lycas es seinem Zwilling gleich und schwieg eisern. Sie hatten eine Schwester gewonnen, einen Vater verloren und erfahren, dass ein Krieg bevorstand, und das alles an einem Abend.
    Als das Haus sauber war, trugen sie ihre Becher und den Krug mit Bier nach draußen. Rhia breitete eine große Decke auf dem Boden aus. Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden und malte nur noch bunte Schlieren auf die Wolkenfetzen.
    Alanka bewunderte den Ausblick. „Ich habe noch nie einen so weiten Himmel gesehen.”
    „Du solltest Tiros sehen.” Nilo reichte ihr einen Becher Bier. „Flach, trocken, langweilig, aber schöne Sonnenuntergänge.” Zu Rhia sagte er: „Würdest du etwas für uns tun?”
    „Ist das ein Trick?”
    „Nein. Wir hätten gern, dass du unseren Vater auf die andere Seite geleitest.”
    Rhia ging auf, dass in der Panik, in der sie Kalindos verlassen hatten, niemand daran gedacht hatte, eine Beerdigung für Razvin abzuhalten. Vielleicht hatte Coranna sie durchgeführt, nachdem sie gegangen waren. Doch auch die Kinder des Mannes hatten Trost verdient.
    „Das habe ich noch nie allein gemacht.” Sie blickte in den Himmel, der immer dunkler wurde. „Ich hoffe, es ist nicht zu spät für Krähen.”
    „Du schaffst das.” Alanka berührte Rhias Ellenbogen. „Aber wenn du es lieber nicht möchtest – auch für dich war sein Tod schmerzhaft.”
    „Ich tue es.” Sie knieten sich im Kreis um die Decke und fassten sich an den Händen. Rhia schloss die Augen und ließ den Wind in den Bäumen durch ihre Gedanken wehen. Zuerst sang sie langsam, unsicher, was den Klang ihrer Stimme anging. Sie selbst empfand ihn als schief, bis sie ihren ganzen Atem dazu benutzte. Der Ton wurde klarer und hallte in ihrer Kehle wider. Als die anderen drei sich ihr anschlössen, fühlte sie, wie der Ruf gen Himmel stieg und sich verbreitete.
    Gerade als ihr Mund begann, trocken zu werden, rief eine Krähe aus der Spitze einer nahen Pinie und glitt dann über das Feld, wo die Ponys grasten. Der Gesang verstummte, als der Vogel sich entfernte.
    Rhia öffnete die Augen. „Er ist fort.” Sie wünschte, sie hätte gespürt, wie Razvins Geist sie verließ, aber er war wahrscheinlich schon vor Tagen übergetreten. Ihre Geschwister schienen allerdings getröstet. Für einige Augenblicke blieben sie regungslos sitzen. Rhia überlegte sich, ihre Brüder zu fragen, ob sie sich die Haare schneiden wollten, aber vielleicht stimmten sie dann nur zu, um Alankas Gefühle nicht zu verletzen, und nicht, weil sie wirklich einen Verlust verspürten. Sie würden ihr Haar schneiden, wenn Tereus starb, auch wenn sie nicht blutsverwandt waren.
    Endlich regte sich Lycas. „Du hast ein Händchen für diese Vögel. Vielleicht könntest du noch einen Fasan für das Abendessen morgen rufen?”
    Sie erwiderte sein spöttisches Lächeln und sagte nichts. „Danke, Rhia.” Alanka drückte ihr die Hand, nahm dann einen Schluck von ihrem Bier und starrte in den Sonnenuntergang. Ihre Unterlippe zitterte, und sie sah aus, als wäre sie überwältigt von all den fremden Eindrücken. Rhia fühlte sich selbst fehl am Platze. Vorhin hatte sie darüber gestaunt, ein Haus einfach so, ohne Leiter, zu verlassen. Die Kordel ihres Krähenfederfetischs scheuerte am Hals. Sie hatte ihn nicht mehr getragen, seit sie ihre Heimat für die Weihung verlassen hatte.
    Lycas zerzauste seiner neuen Schwester die Haare. „Wir freuen uns, dass du da bist.”
    Alankas Mundwinkel zuckten. „Damit ihr mich ärgern könnt?”
    „Rhia!” Nilo gab ihrem gesunden Arm einen leichten Stoß. „Du solltest sie nicht vorwarnen. Jetzt können wir überhaupt keinen Spaß haben.”
    „Du bist bloß sauer, weil wir in der Uberzahl sind”, erwiderte Rhia.
    Er runzelte die Stirn. „Zwei von uns, zwei von euch – kannst du nicht rechnen?”
    „Zwei Frauen sind doppelt so großartig wie zwei Männer.” „Dagegen ist nichts einzuwenden”, stimmte Lycas ihr zu. „Wenn Mali eine Tochter bekommt, bin ich ein toter Mann.” Er wurde nachdenklich. „Das bin ich allerdings sowieso,

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