die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
Die Worte klangen so förmlich. Alles, woran sie denken konnte, war das Rauschen der Krähenflügel über seinem leblosen Körper. „Ich hoffe nur, ich muss nie ...”
„Schsch.” Er berührte ihre Hand. „Der Tod kommt bald genug zu uns. Lass uns nicht jetzt davon sprechen.” Er senkte den Kopf, um sie zu küssen.
„Es tut mir leid.” Sie trat zurück. Ihr brannten die Wangen. „Ich muss meine Familie finden.”
Tereus kniete neben einer der Stuten und säuberte deren linken Vorderhuf, als Rhia und Alanka sich zu Fuß dem Haus näherten. Rhia blieb stehen, um ihn zu beobachten und die ländliche Ruhe in sich aufzunehmen, die vielleicht bald für immer verloren war.
Tereus hockte sich hin und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Rhia war erleichtert, dass er sich sein Haar seit Mayras Tod nicht noch einmal geschnitten hatte. Er trug es zu einem kurzen Zopf geflochten, der ein ganzes Stück unter seinen Schultern endete.
Tereus sah auf und kniff dann die Augen zusammen, als glaubte er nicht, was er sah.
„Papa!” Sie begann zu rennen. Er ließ den Hufkratzer fallen und streckte die Arme aus. Vorsichtig umarmte sie ihn, um ihre Schulter zu schonen.
„Rhia, was machst du zu Hause?” Er lächelte Alanka an. „Wer ist deine Freundin?”
Sie stellte die beiden einander vor, und nachdem Tereus sich verbeugt hatte, berührte er Rhias Schlinge und fragte: „Was ist mit dir passiert?”
„Zu viel, um es heute noch zweimal zu erzählen. Sind meine Brüder hier?”
Er blickte zur untergehenden Sonne. „Sie sollten bald mit den Jagdhunden zurück sein. Hoffentlich mit frischem Abend-essen.”
„Dann kann meine Geschichte warten, bis sie zurückkommen.”
Ein fernes Johlen ertönte von der anderen Seite des Feldes her. Rhia beschattete sich die Augen und sah zwei schwarzhaarige Männer, die freudig winkten.
„Sind sie das?” Zum ersten Mal seit Tagen klang Alankas Stimme hoffnungsvoll.
„Niemand anders.” Ein Lächeln stahl sich auf Rhias Gesicht.
Die Hunde kamen zuerst an. Mit ihren langen grauen Beinen hetzten sie den Hügel hinauf. Vor Anstrengung und der Aufregung der Jagd hingen ihnen die Zungen heraus.
Alanka kreischte vor Schreck auf, als das Rudel aus sechs Hunden auf sie zupreschte. „Du hast gesagt, sie sind groß, aber ...” Ihre Worte wurden von Fell und Sabber erstickt, und bald lachte sie.
Dann kamen auch Lycas und Nilo an, jeder mit zwei Hasen in der Hand, die sie auf den Boden fallen ließen, um Rhia zu umarmen.
„Du kommst früh”, sagte Nilo, als er sie losließ.
„Wir haben dich erst nächsten Frühling erwartet.” Lycas fasste sie um die Taille und hob sie hoch, als wäre sie leicht wie eine Feder. „Bei wem kann ich mich über die Änderungen im Zeitplan beschweren?”
Als Lycas sie wieder absetzte, spürte Rhia die Veränderung in ihm. Sie berührte seine Haut, die dick und fest geworden war. Die zweite Phase hatte seine Verteidigung verstärkt.
„Bitte sag, dass es nicht Mali ist”, stieß sie hervor.
Er sah Tereus an. „Du hast es ihr erzählt?”
Ihr Vater hob die Hände. „Ich habe nichts gesagt. Sie sind gerade erst angekommen.”
Die Zwillinge drehten sich zu Alanka um, die versuchte, zwischen den wild herumspringenden Hunden auf den Füßen zu bleiben. Rhia deutete auf sie.
„Lycas, Nilo, das ist ...”
„Eure Schwester Alanka.” Das Mädchen kam auf sie zu und sah zwischen den Gesichtern ihrer Brüder hin und her. Die drei starrten einander einen langen Augenblick lang an, dann drehte Nilo sich zu Lycas um.
„Sie sieht dir ähnlich”, behauptete er.
„Nein”, konterte Lycas, „dir sieht sie ähnlicher.”
Rhia stöhnte auf. „Ihr träumt beide davon, nur halb so hübsch zu sein. Jetzt hört auf zu starren und begrüßt sie.”
Erstaunt begannen die Männer, sich zu verbeugen, doch dann gaben sie auf und schlössen Alanka in eine feste Umarmung.
„Hey”, rief sie über Nilos Schulter, „ich bekomme keine Luft.”
Sie ließen sie los und betrachteten noch einmal ihr Gesicht.
Im gleichen Augenblick wurden ihre Blicke ernst. Lycas berührte Alankas Kopf.
„Warum ist dein Haar kurz?”, fragte er beklommen. Alanka begann zu weinen.
Beim Abendessen lauschten Rhias Vater und die Brüder ihrer Geschichte mit ernsten Mienen.
Als sie geendet hatte, stand Tereus auf und sammelte ihre Teller ein, langsam, als wäre er um zehn Jahre gealtert, während sie gesprochen hatte. „Jetzt ergeben meine Träume einen Sinn.”
„Du hast
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