die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
immer Fleisch, das man nicht mehr ...”
Plötzlich sprang das Pony panisch wiehernd zur Seite. Rhia griff nach seiner Mähne, um nicht abgeworfen zu werden und auf den Boden zu fallen, wo eine lange schwarze Schlange zischend zurückschreckte. Alanka schrie auf, und einen Augenblick später erklang hinter Rhia ein dumpfer Aufprall.
Sie hielt das Pferd ruhig und drehte sich um. Das Mädchen lag bewegungslos auf dem Pfad.
„Alanka!”
Die Schlange verschwand im Unterholz, und Rhia erkannte sie als harmlose Rattenschlange -, harmlos für das Pony, das sie erschreckt hatte, nicht für den abgeworfenen Reiter. Sie ließ sich vom Pferd gleiten und schlang die Zügel um einen Ast, weil sie Angst hatte, die schreckhafte Kreatur könnte sonst davonpreschen.
Als sie sich neben Alanka kniete, begannen die Schultern des Mädchens zu zittern. Sie drehte sich auf den Rücken, und Rhia sah, dass sie lachte und bebend nach Atem rang.
„Ich brauche was zu trinken”, sagte Alanka und brach noch einmal in hysterisches Gelächter aus. Rhia half ihr beim Aufsitzen und rieb ihr dann den bebenden Rücken, bis ihr Gekicher zu einem Schluckauf wurde. Alanka stützte die Ellenbogen auf ihre gebeugten Knie und schlug die Hände vors Gesicht.
„Kannst du weiterreiten?”, fragte Rhia.
Alanka nickte und wischte sich die feuchten Augen. Rhia führte sie zum Pony und gab ihr einige Schlucke Wasser.
„Entschuldige”, sagte Alanka. „Das wird mich lehren, mich auf dem Pferderücken nicht zu entspannen.”
Das kurze Aufflackern von Belustigung in ihren Augen erinnerte Rhia an Razvin. Plötzlich hatte sie die letzten Augenblicke seines Lebens vor Augen, und ihr Herz begann zu rasen, als sie sich an sein Leiden und seine Angst erinnerte. Vorsichtig stieg sie wieder auf das Pony und verbarg ihre Erschütterung vor Alanka, der sie hinter sich aufhalf.
Je näher sie Asermos kamen, desto unruhiger wurde Rhia. Was würde sie sehen, wenn sie aus dem Wald kamen? Blühende Felder oder Ruinen? Sie trieb das Pony zum Galopp an und spürte, wie Alanka sich fester hielt.
Vor ihnen, rechts vom Pfad, lag eine Lichtung, und als sie sich näherten, hörte sie das leise Blöken der Schafe. Als sie die Lichtung erreicht hatten, stand ein junger Mann mit langem dunklen Haar auf, um sie zu begrüßen. Areas.
Ihr Herz tat einen Sprung – ob vor Freude oder Beklommenheit, wusste sie nicht. Er bedeckte die Augen in ihre Rich-tung, grinste überrascht und rannte auf sie zu.
„Rhia!”
Sie zügelte das Pony und lenkte es durch die auseinanderlaufenden Schafe. Areas traf in der Mitte des Feldes auf sie.
„Hol deinen Vater”, sagte sie, ohne seine Begrüßung abzuwarten. „Sie kommen.”
34. KAPITEL
R hia erzählte ihnen alles. Die Neuigkeiten ließen Areas erblassen, sein Vater jedoch hörte Rhia mit der ihm typischen Gefasstheit zu.
„Es überrascht mich nicht, dass die Nachfahren angreifen.” Galen stand auf und ging auf dem abgetretenen Holzboden seines Hauses auf und ab. „Warnende Anzeichen dafür gibt es schon seit Jahren. Aber dass wir von einem von uns hintergangen werden ...”
Rhia blickte zu Alanka, die mit den dreien am Tisch saß und den Blick nicht von der Platte hob. „Razvin hat sich selbst nicht als einen von uns gesehen. Viele Kalindonier stimmen mit ihm überein. Selbst jene, die sich nie gegen uns stellen würden, helfen uns nicht dabei, uns zu verteidigen.” Rhia lehnte sich im Stuhl zurück. „Ich dachte, sie hätten mich als eine der ihren aufgenommen. Schließlich haben sie alle einen Teil ihres Lebens für mich geopfert.”
Galen nickte bedauernd.
„Was soll das heißen?”, fragte Areas.
„Du wusstest es, nicht wahr?” Rhia sah Galen an. „Du wusstest, dass ich sterben muss und welchen Preis mein Leben fordert.”
Entsetzt starrte Areas sie an. „Was?”
„Du wärst nicht gegangen, wenn ich es dir erzählt hätte”, erwiderte Galen.
„Das weißt du nicht.” Rhia schüttelte den Kopf. „Du hättest es mir sagen sollen.”
„Es tut mir leid.” In Galens Stimme lag wirkliches Bedauern. Er legte Rhia eine Hand auf die Schulter und sah zu ihr hinab. „Ich habe getan, was ich damals für das Beste hielt, aber es kann sein, dass ich es mit der Wahrheit nicht allzu genau genommen habe.”
Rhia bezweifelte, dass er anders handeln würde, sollte sich ihm nochmals die Gelegenheit bieten. Aber vielleicht hatte er sich tatsächlich richtig verhalten. Auch wenn sie gewusst hätte, dass es ihren Tod
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