die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
fast zum Weinen brachte. „Das weiß ich.”
Dann küsste er sie so zärtlich, dass ihre Lippen schmerzten, als zerquetschte er sie brutal, statt sie, sich der Zerbrechlichkeit des Augenblicks bewusst, nur zu streifen. Behutsam glitt er mit den Lippen ihren Hals entlang und berührte ihre Brüste, nicht fordernd, nur fragend. Als sie sich versteifte, ließ er die Hände wieder zu ihrer Hüfte hinabgleiten. Rhia lehnte sich an seine Brust.
„Ich will bei dir sein”, flüsterte sie, „aber nicht hier. Nicht p>hier, wo es passiert ist.”
„Das verstehe ich.” Vorsichtig legte er ihr das Kinn auf den Kopf. „Glaubst du, im Heuschober ist es zu kalt?”
Sie steckte den weißen Stein in die Tasche. „Ich glaube, wo wir beide sind, ist es nie zu kalt.”
„Dann gehen wir.”
„Warte.” Sie griff nach seiner Hand und hielt ihn auf. „Du sollst wissen, dass ich dich liebe, egal, was du bist.”
Sein Gesicht wurde wieder ernst. „Selbst wenn ich ein Bär bin?”
Sie ließ seine Hand los. „Wenn du ein Bär bist, bist du nicht echt.”
Er stolperte rückwärts, als hätte sie ihn geschlagen. „Ich bin nicht echt? Ich bin nicht echt? Du hast zwei Jahre damit verbracht, so zu tun, als wärst du keine Krähe.”
„Ja, ich habe verleugnet, was ich bin, und andere mussten deswegen leiden. Ich will nicht, dass du den gleichen Fehler begehst.”
„Es geht nicht darum, mich vor meinen eigenen Fehlern zu bewahren, nicht wahr, Rhia?” Er richtete einen Finger auf sie. „Du willst nicht, dass ich Bär bin, weil du Angst hast, dass ich sterben muss. Weil du zu selbstsüchtig bist, mich mit der Welt zu teilen.”
„Ist das so verkehrt? Ist es falsch, dass ich einen Ehemann will, der lange genug lebt, um seine Enkel kennenzulernen? Und was ist damit, Areas? Wenn du Vater wirst und in die zweite Phase deiner Macht eintrittst, was passiert dann? Wenn du, statt ein stärkerer Kämpfer zu werden, das Wetter vorhersagst und an der Decke entlangkriechst? Wie willst du es dann verbergen?”
„Ich weiß nicht, wie, aber eines weiß ich – es soll nicht deine Sorge sein.”
Rhias stockte der Atem, und ein dumpfer Schmerz füllte die Leere zwischen ihren Rippen. „Was soll das heißen?”
„Es bedeutet, dass du und ich ...” Er schüttelte den Kopf und ging aus der Tür.
„Du und ich?” Sie fasste nach seinem Arm, als er seine Stiefel anzog. „Was willst du damit sagen?”
„Die Dinge haben sich verändert, seit deine Mutter gestorben ist. Du bist so hart zu dir selbst, und jetzt machst du das Gleiche mit mir.” Er warf sich die nasse Jacke über die Schultern und spritzte dabei geschmolzenen Schnee auf Rhias Wange. „Die Verwirrung in mir ist schwer genug, ohne auch noch von dir verurteilt zu werden.”
„Es tut mir leid.”
Er betrachtete einen Augenblick lang ihr Gesicht und öffnete dann die Tür. „Es tut dir leid, mir wehgetan zu haben, aber nicht, was du fühlst.”
Sie wappnete sich gegen die kalte Luft und den Lockruf ihrer eigenen Verzweiflung, wollte ihn anflehen zu bleiben. „Nein”, flüsterte sie. „Das tut mir nicht leid.”
Als sie sah, wie Areas durch den Schnee davonstapfte, schien der Stein in ihrer Tasche schwerer zu werden, bis sie endlich auf die Treppenstufe hinabglitt und ihren Tränen freien Lauf ließ.
Der Winter würde lang werden.
Der Schnee fiel kniehoch, und die Jagdhunde tollten darin wie Welpen und vergruben ihre Schnauzen in den weißen Verwehungen. An manchen Tagen schien die Sonne warm genug, dass der Schnee weich wurde, aber in der Nacht darauf bekam er eine harte Kruste, die jeden Schritt zu einem Kampf werden ließ. Rhia musste Bienenwachs und Lanolin auf die Pfoten der Hunde auftragen, ehe sie auf Wolfsjagd gingen, um ihre Ballen vor dem scharfen Eis, mit dem der Schnee durchzogen war, zu schützen.
Mitten im Winter brüllte der Wind unaufhörlich, drei Tage und Nächte lang, und Rhia und Tereus wechselten sich damit p>ab, jede Stunde den Schnee von der Tür zu schippen. Verwehungen türmten sich vor den Fenstern auf und ließen in ihrem Haus den Tag zur Dämmerung werden. Wenn Rhia gezwungen war, nach draußen zu gehen, um nach den Tieren zu sehen, brannte ihr der Wind in den Augen und ließ ihre Nase laufen und die Nasenlöcher zufrieren.
An diesen stürmischen Tagen schien die Sonne hell und ließ den Schnee funkeln und glitzern wie die magischen Pulver, die Mayra einst zum Heilen genommen hatte. Rhia sah den tanzenden Funken zu und ließ den Wind
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