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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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stark er gefroren ist, können wir vielleicht über das Wasser fliehen.”
    Sie nahm seine Hand. „Marek, meinetwegen hast du Coranna hintergangen. Es tut mir leid.”
    „Du hast mich zu nichts gezwungen. Und es tut dir nicht leid.” Er zog sie näher an sich. „Mir übrigens auch nicht.”
    Sie saßen noch eine Weile zusammen und sammelten Wärme und Kraft, dann zogen sie wieder los, langsamer diesmal und Seite an Seite, in die wartende Dunkelheit hinein.
    Mit jedem Zittern erinnerte sich Rhia an das Schicksal, das sie in den Bergen erwartet hätte. Der Tod, schmerzlos vielleicht, aber nicht ohne Leid. Sie erinnerte sich an ein Lamm in der Herde von Dorius, das bei einem späten Frost erfroren war. Es war steif gewesen und grau und hart, wie eine steinerne Skulptur seiner selbst. Sie stellte sich vor, wie ihre Körperwärme sie verließ – die Unterkühlung würde bei Händen und Füßen anfangen und dann ihre Glieder hinaufkriechen, bis sie ihr Herz erreichte, das schon jetzt bei dem Gedanken daran aufgeregt schlug.
    Aber ihr Volk brauchte sie. Wenn Sterben der einzige Weg war ...
    Sie versuchte, sich zu beruhigen, ihren Geist zu erreichen, um Antworten zu finden, und fragte sich, ob Krähe selbst in der Lage wäre, sie zu überzeugen, sich dem Ritual zu stellen. Aber keine geisterhafte Stimme ließ sich vernehmen, um sie zu beruhigen. Der Instinkt trieb sie voran.
    Aber was brachte Marek dazu, ihr zu helfen? Warum hatte er sich einer Frau angeschlossen, die er erst seit fünf Tagen kannte, statt der, die ihm ein Zuhause und einen Lebenssinn gegeben hatte?
    „Wenn Coranna Menschen zum Leben erwecken kann”, fragte sie ihn auf ihrem Weg durch den dunklen Wald, „warum tut sie es dann nicht öfter?”
    „Es müssen besondere Umstände vorliegen. Natürlich kann sie nicht einfach jeden zurückbringen.”
    „Aber wie trifft sie ihre Entscheidung?”
    Marek stieß ein spöttisches Lachen aus. „Wenn ich das wüsste, wäre ich Krähe.” Er senkte die Stimme, als würde er mit sich selbst reden. „Vielleicht nicht einmal dann.”
    Rhia spürte, dass sie nahe an einen tiefen Seelenschmerz herankamen. Ein Bild der Situation erschien in ihren Gedanken, und sie begann zu verstehen, wie komplex Mareks Hingabe zu Coranna sein musste. Sie war entweder nicht in der Lage oder nicht gewillt gewesen, seine Partnerin und sein Kind wiederzubeleben.
    „Du hättest Coranna gemocht”, sagte er, „wenn du sie besser kennengelernt hättest. Sie scheint unnahbar, aber nur, weil das Leben sie dazu gemacht hat.”
    „Das Leben als Krähenfrau?”
    „Als Krähenfrau an einem Ort, wo der Tod wohnt. In Asermos wäre es dir leichter gefallen.”
    Sie dachte an ihre Heimat, an ihre Familie und an Areas. Schon jetzt fühlten sie sich weiter entfernt und weniger vertraut an als dieser Wald und dieser Mann. Konnte sie je in ihr Dorf zurückkehren? Was für ein Leben sollte sie führen, ohne ihre Gaben richtig nutzen zu können? Ihr Herz wurde schwer wie Blei.
    Marek drückte ihre Hand. „Jetzt ist es nicht mehr weit.” Ein sanftes Gurgeln erklang unter dem Rauschen des Windes in den Pinien. Das Dach der Bäume war jetzt dünn genug, dass Rhia die Wolken sehen konnte, die die Sichel des untergehenden Mondes anstrahlte.
    Auf einem flachen Abschnitt, etwa zwanzig Schritte vom Fluss entfernt, stand eine mitgenommene Hütte. Eine Außenwand war zum Teil eingefallen, sodass die Hütte von einem bestimmten Winkel aus eher wie ein Unterstand aussah. Ein baufälliges Kanu lag auf der Seite auf dem gefrorenen Ufer.
    „Der Winter war nicht gut zu diesem Ort”, sagte Marek, „aber wenigstens hat die Hütte ein Dach.”
    Sie krochen hinein und schmiegten sich gegen eine der festeren Wände. Jetzt, da der Wind ihr nicht länger ihre Körperwärme entzog, konnte Rhia sich vorstellen, dass ihr wieder warm wurde.
    Mareks Beutel tauchte auf, und er zog etwas getrocknetes Wild hervor. „Morgen fange ich Fisch.”
    „Danke.”
    Sie spürte, wie seine Schultern bebten. „So bin ich eben”, entgegnete er.
    „Nein, ich meine, danke, dass du mich hierher gebracht hast.”
    „Ich konnte dich doch nicht allein in den Wald spazieren lassen.”
    Sie fragte sich, ob er wirklich glaubte, dass sie Kalindos ohne ihn verlassen hätte. Hätte er sich geweigert, wäre sie zurück zu Coranna gegangen. Immerhin bestand wenigstens die Möglichkeit, nach dem Ritual wieder zum Leben zu erwachen. Eine Nacht allein in dieser Kälte konnte einen endgültig

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