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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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dennoch leerte sie fast den ganzen Teller. Sie schob ihn von sich und sah dann voller Erwartung über den Tisch zu ihrer Mentorin.
    „Hast du Angst vor dem Tod?”, fragte Coranna sie.
    Rhia wusste, dass Mehrdeutigkeiten das Gespräch nicht weiterbringen würden. „Ja. Das hat jeder.”
    „Weil der Tod das ultimative Unbekannte ist. Nur wenige sprechen von der anderen Seite zu uns, und noch weniger kehren zurück. Deshalb kämpft jeder dagegen an, und deshalb hat jeder Angst davor.” Coranna beugte sich vor. Das Licht der Kerzen tanzte auf ihrem Gesicht. „Aber du bist nicht alle anderen. Wenn Menschen dir in ihren letzten Augenblicken in die Augen sähen und die eigene Angst darin wiederfänden, würde ihr Ubergang zu einer Zeit der Qualen statt des Friedens.”
    „Ich verstehe. Ich muss lernen, keine Angst zu haben. Aber wie?”
    Coranna zögerte nur einen Augenblick. „Indem du dich deinem eigenen Tod stellst.”
    „Ich muss mich in Gefahr begeben? Wie?” Sie stellte sich ein geiferndes Biest vor, dem nach ihrem Fleisch gelüstete. „Bin ich dabei sicher?”
    „Du bist vollkommen sicher. Ich bin bei dir. Marek wird auch bei dir sein.”
    „Oh.” Rhia lehnte sich erleichtert zurück. Eine einfache Mutprobe. Nichts konnte ihre Seele mehr verschlingen als das Nichtding im Wald in der Nacht vor ihrer Weihung. Wenigstens war sie dieses Mal nicht allein.
    „Du wirst sterben”, erklärte Coranna.

22. KAPITEL
    B enommen blickte Rhia zu ihr auf. „ W.. .was habt... was habt Ihr gesagt?”
    „Wir werden den Berg Beros hinauf zu einem heiligen Ort wandern. Ich werde dort deinen Mantel nehmen und das Ritual beginnen. Der Wind wird seinen Teil tun, um deinem Körper die Wärme zu nehmen, bis das Leben aus dir entschwindet. Dann bringe ich dich zurück.”
    Rhias Verstand weigerte sich, das eben Gesagte zu begreifen. „Zurück von ...”
    „Von den Toten.”
    Jemand in ihrem Kopf schrie leise, wie aus der Ferne.
    Rhia lachte laut, aber das Geräusch klang an den hölzernen Wänden hohl. „Ihr macht Witze, oder? Einen Augenblick lang habe ich Euch wirklich geglaubt.” Sie legte sich die Hand auf die Brust und spürte ihren rasenden Herzschlag.
    Coranna blinzelte. „Du musst sterben.”
    Das Kreischen in ihrem Kopf wurde lauter. Rhia schob ihren Stuhl vom Tisch zurück und stand auf. „Das ist nicht ...” Sie streckte die Hände aus, als wäre sie auf der Suche nach einem Gegenstand in einem dunklen Raum. Etwas, an dem sie sich festhalten konnte, etwas, das sie aufrecht hielt, ehe sie ...
    Fiel.
    Ihre Knie prallten am Rand des Teppichs auf. Sie bemerkte den Schmerz kaum, denn ihr Kopf fühlte sich an, als wäre er voller Luft und Wasser. Sie rang nach Atem. Ihre Hände wurden kalt, als würde sie bereits im Sterben hegen.
    Coranna setzte sich neben sie und streichelte ihr den Rücken. „Ich weiß, es ist zum Fürchten.”
    Fürchten, dachte Rhia. Ein Rascheln in der Dunkelheit ist zum Fürchten. Eine Spinne, die einem über den nackten Fuß krabbelt, ist zum Fürchten. Verzweifelt klammerte sie sich an den Rand des Teppichs.
    Coranna sprach leise weiter. „Würde es dir helfen, wenn du wüsstest, dass es viel schlimmer sein könnte? Erfrieren ist relativ schmerzlos, hat man mir gesagt. Du hast Glück – ich habe meine Ausbildung im Sommer begonnen.” Sie hörte auf, Rhia den Rücken zu streicheln. „Ich musste ertrinken.”
    Rhia starrte sie an und rang sich endlich einige Worte ab. „Dieses Ritual ... ist grotesk.”
    „Es funktioniert. Nichts überwindet die Angst vor dem Tod besser, als sich ihm zu stellen.”
    Vorsichtig umfasste sie Rhias Kinn. „Es ist der einzige Weg, eine wahre Krähe zu werden.”
    Rhia erinnerte sich an das, was Marek Coranna am Tag zuvor entgegengeschleudert hatte. „Was, wenn Ihr es nicht könnt?”
    „Was nicht können?”
    „Mich zurückbringen.”
    „Du vertraust mir nicht?”
    „Warum sollte ich?”
    Coranna schien die Diskussion sattzuhaben. „Weil du keine andere Wahl hast.”
    Rhia atmete tief ein. Es war nicht ihre Wahl, zu sterben, wiedergeboren zu werden und diese verstörende Gabe zu besitzen, Krähe zu sein. Sie hatte so lange widerstanden, wie sie konnte, aber sie hätte sich auf ewig geweigert, wenn sie gewusst hätte, was man von ihr verlangte.
    „Vielleicht hätte ich dir lieber nichts zu essen geben sollen.” Coranna durchschritt den Raum und öffnete ein Fenster. „Komm her, an die frische Luft. Wenn dir schlecht wird, nimm den Eimer, nicht

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