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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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so wie Rabe ihr vor ihrer Weihung erschienen war -, sondern sie lagen alle aufeinander und pulsierten durcheinander hindurch. Alle Farben waren in Schwarz eins, so wie alle Geister an diesem Ort eins waren.
    Die Einigkeit wurde plötzlich unterbrochen, als in ihrem Augenwinkel eine Gestalt erschien. Ein kleines Mädchen.
    Rhia.
    Sie flüsterte ihren eigenen Namen, als gehörte er jemand anderem.
    „Warum bin ich schon hier?”, fragte sie Krähe.
    „Du hast einen Teil deiner selbst zurückgelassen, als du fast gestorben bist.”
    Sie beobachtete, wie das Mädchen zwischen unsichtbaren Hügeln hindurchrannte und Rad schlug, selbstbewusst wie ein junges Fohlen. „Bin ich deshalb seitdem so schwach?”
    „Vielleicht.”
    „Darf ich sie mit zurücknehmen?”
    „Frag sie.”
    Sie konnte sich nicht bewegen. Stattdessen wünschte sie sich fest, das Kind möge zu ihr kommen, was es ohne jede Angst tat. Das lange rote Haar des Mädchens leuchtete im Licht einer Sonne, die zu irdisch für diesen Ort war. Die Rhia aus der Vergangenheit starrte die Rhia aus der Gegenwart mit ernsten grünen Augen an.
    „Ich habe gewartet”, sagte das Kind.
    „Es tut mir leid.”
    Die jüngere Rhia lächelte. Ein Vorderzahn fehlte. „Ich mag es hier.”
    „Ich auch.”
    „Kannst du bleiben?”
    Rhia warf einen heimlichen Blick zu Krähe. Vielleicht. Wenn sie sehr höflich darum baten ...
    Er neigte den Kopf, als lauschte er auf ein weit entferntes Rufen. „Es wird Zeit zu gehen. Sie brauchen dich.”
    „Wer?” Sie kannte niemanden. Oder vielmehr, sie kannte alles und jeden, aber nichts und niemanden im Besonderen.
    „Dein Volk.”
    „Ich werde hier gebraucht.”
    „Noch nicht.” Krähe wandte ihr den Rücken zu. „Bitte folge mir.”
    „Nein! Ich will bleiben.” Die Gegenwart des Kindes ließ auch Rhia störrischer werden. „Ich muss bleiben.”
    „Eines Tages kehrst du zurück, um für immer zu bleiben. Bis dahin ...”
    „Bitte.” Hätte sie Knie, sie würde knien. Hätte sie Hände, sie würde sich flehend an Krähes Federn klammern. „Es muss doch verlorene Seelen geben, die einen Anführer brauchen, Seelen, die ihren Weg auf die andere Seite nicht finden. Denen kann ich helfen. Ich kann dir helfen. Hier.”
    Langsam drehte Krähe sich zu ihr um und schenkte ihr einen Blick, der so verzweifelt war, wie sie sich fühlte.
    „Du musst für mich zurückkehren.”
    Rhia begegnete seinem Blick und spürte, wie ihr Wille schwächer wurde. „Warum?”
    Seine Augen verdunkelten sich von Mitternachtsblau zu einem stechenden Schwarz. „Eine Zeit der Unruhe kommt auf uns zu, eine Zeit, in der der Tod wie Hagel vom Himmel regnen wird.”
    Rhia nahm seine Worte mit einer Ruhe in sich auf, die sie überraschte. Was Krähe gesagt hatte, war weit entfernt und unmöglich, wie die gruseligen Geschichten, die die Älteren den Kindern bei Erntedankfesten am Lagerfeuer erzählten, Geschichten von Zorn und Chaos in den Zeiten vor dem sogenannten Wiedererwachen. An diesem Ort konnte sie sich nicht vorstellen, dass Probleme sie oder jemanden, den sie kannte, berühren würden.
    Sie sah nach der ausgestreckten Hand des kleinen Mädchens und spürte, wie sie in ihr Wesen einfloss.
    Sie musste lernen, Krähe zu vertrauen. Und sich selbst. „Bring mich zurück.”
    Krähe verbeugte sich. „Bis zum nächsten Mal.” Mit lautem Flügelschlagen hob er ab und ließ sie allein zurück.
    Ein schweres Gewicht stieß sie zurück in die Dunkelheit. Kalte Luft strich ihr übers Gesicht. Sie rang nach Atem, spürte einen stechenden Schmerz in den Lungen und merkte, dass das schwere Gewicht ihr Körper war.
    Aus weiter Ferne hörte sie jemanden ihren Namen rufen. Marek.
    Sie versuchte, die Augen zu öffnen, mit den Fingern zu zucken, irgendwie zu signalisieren, dass sie wieder da war.
    Hilf mir.
    Corannas Gesänge vibrierten durch die Luft, wie sie es vor Rhias Tod getan hatten. Alles war Tod in umgekehrter Reihenfolge – die Kälte, die Gesänge, die Art, wie Marek ihren Namen rief.
    Bis auf den Schmerz. Der Tod hatte nicht so wehgetan. Panik ergriff ihren Körper, als sie nach dem ersten Atemzug rang. Ihr Herz wollte schlagen, versprach, wieder Leben durch sie zu pumpen, aber es verlangte Luft als Lösegeld. Ihre Lungen schienen darauf zu warten, dass ihr Herz zuerst zu schlagen begann. Keines von beiden wollte ihr Leben schenken, denn beide waren zu kalt, um es zu versuchen.
    Komm zurück, rief sie Krähe nach. Ich bin gefangen in einem Körper,

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