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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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vielleicht letzten Schritt, den ihre Füße erkannten.
    „Coranna ...” Sie wollte sich hinknien, aber sie wusste, sie würde nie mehr aufstehen. „Coranna, ich will werden, was ich bin, nicht, was ich sein will.”
    Noch einmal dachte sie über den letzten Satz nach. Hatte der einen Sinn ergeben? Hatte sie ihn überhaupt laut ausgesprochen? Wie lange stand sie schon da und dachte über den Satz nach? Wie lange stand sie schon hier und fragte sich, wie lange sie schon hier stand und über den Satz nachdachte? Und jetzt, wie lange ...
    Ihr Verstand schien eingefroren, ähnlich wie ihre Gliedmaßen. Sie stellte sich vor, wie sich in ihrem Kopf Kristalle bildeten. Hübsche Flocken, die schwebten, sich verbanden, einige Gedanken undurchdringlich werden ließen ... wie schneebedeckte Straßen. Hübsch. Erfroren.
    Sie blinzelte und bemerkte, dass sie immer noch stand, auch wenn es sich wie Schweben anfühlte. Langsam sah sie hinab zu ihren Füßen, die immer noch auf dem Boden standen. Vielleicht konnte der rechte sich bewegen. Nein. Einen Augenblick später überlegte sie sich, es mit dem linken zu versuchen. Doch ehe sie dazu kam, erzitterte sie erneut. Wie lange war es her, seit sie das letzte Mal gezittert hatte?
    Sie musste sich weiterbewegen, auch wenn sie vergessen hatte, warum. Vielleicht musste sie die Leute erreichen, die ihr nah waren. Kannte sie diese Leute? Sie sollte sie finden. Jetzt.
    Etwas Festes schlug ihr hart gegen das Gesicht. Jemand rief ein Wort, das sich wie Rhia! anhörte – was ist ein „Rhia”? -, und das trommelnde Geräusch, das es in ihrer Welt gegeben hatte, solange sie sich erinnern konnte, hörte plötzlich auf. Sie hörte Stimmen, aber niemand sprach mit ihr, und schließlich setzte das Trommeln wieder ein, auch wenn es eine Weile dauerte, bis es seinen gleichmäßigen Rhythmus wiederfand.
    Als sie die Augen wieder öffnete, lag die Welt auf der Seite -links Himmel, rechts ein Berg, aus dem Steine und kleine Büsche ragten.
    Auf dem Boden liegen ist besser, redete sie sich ein, zog die Beine an und rollte sich zu einer Kugel zusammen. So war es wärmer. So konnte sie ewig leben. Wenn sie wollte. Wollte sie?
    Es war alles gleich, Leben und Tod. Das war ihr jetzt klar geworden. Es war egal, ob sie lebte oder starb, ob irgendwer das tat. Es war egal, ob die Nachfahren Asermos eroberten oder Kalindos oder irgendein anderes Dorf. Keine Welt war mehr wichtig, weder die „echte” noch die, in der die Geister hausten, und auch nicht die andere Seite.
    Noch ein Zittern, ein kurzes. Das letzte. Sie war zu erschöpft, um noch zu zittern. Der Schlaf zerrte an ihr, und sie gab einen Augenblick nach. Sie brauchte Kraft, um zu kämpfen. Schlaf würde sie stärken.
    Dunkelheit.
    Nein.
    Sie riss die Augen auf. Die Sonne war hinter dem Berg verschwunden und warf seinen Schatten auf die Lichtung, wo sie lag. War es noch der gleiche Tag? Wie aus weiter Ferne hörte sie den leisen Gesang einer Frau, aber Rassel und Trommel waren verstummt. Der Himmel war in der Richtung, in die sie blickte, tiefblau.
    Der Gesang wiegte sie wie in einer weichen dunklen Umarmung. Er stumpfte ihre Gedanken und Erinnerungen ab und machte ihren Verstand so undurchdringlich und leblos wie einen Stein. Ihr Atem und ihr Herzschlag verlangsamten sich, bis sie glaubte, sie könnten nicht mehr weiter auseinanderliegen, ohne zu verstummen. Und doch kamen sie immer wieder, jeder Atemzug schien eine Stunde zu dauern, jeder Herzschlag einen Tag.
    Wenn sie ihren letzten Atemzug anhielt, konnte sie ihn dann bei sich behalten und ewig leben? Hatte das je jemand versucht? Sie würde es tun, mit dem nächsten Atemzug, falls es der letzte war.
    Sie wartete, aber der nächste Atemzug kam nicht mehr. Aber das war jetzt auch nicht mehr wichtig.
    Krähe war gekommen.

24. KAPITEL
    F alls Schwarz wirklich leuchten konnte, so war es das, was Krähe tat. Seine Federn schienen aus schwarzem Licht gewoben, und Rhia staunte darüber, wie das Licht sich vermischte, als wäre es etwas Festes wie ein Faden oder Seil. In ihrer Welt war so etwas unmöglich. Es erschien ihr wie ein Vorbote, dass sie ihre Vergangenheit bald ganz hinter sich lassen würde.
    „Du bist zu mir zurückgekommen”, stellte sie fest, ohne zu sprechen.
    „Das hatte ich doch gesagt.” Seine vertraute Stimme nahm ihr die Angst. „Ich komme immer wieder.”
    „Du siehst wunderschön aus.”
    Seine Federn stellten sich auf und erstrahlten in schwarzviolettem Licht. „Oh, vielen

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