die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
der nicht funktioniert. Es ist zu spät, um wieder zu leben. Lass mich sterben.
Keine Antwort.
Bitte. Es tut so weh.
„Rhia”, sprach Coranna an ihrem Ohr, „willkommen zurück.”
Nein!
„Du wirst überleben”, sagte sie. „Dein Körper wacht bald auf.”
„Wie bald?”, fragte Marek.
„Hab Geduld.” Eloras Stimme klang weit entfernt. „Wenn sie zu schnell zurückkehrt ...”
„Schsch.” Corannas Stimme klang gelassen. „Sie kann deine Zweifel hören, die übrigens vollkommen unnötig sind. Im Augenblick müssen wir ihrem Geist nur Zeit geben, sich daran zu erinnern, was es heißt, zu leben.”
Ich will nicht leben. Ich will nach Hause.
„Was, wenn sie nicht leben will?”, sagte er. „Was, wenn sie leidet? Wenn Rhia uns hören kann, dann ist sie bei Bewusstsein, und das bedeutet, sie weiß, dass sie nicht atmen kann. Tut das nicht weh?”
Ja.
„Nein”, antwortete Coranna.
Was?
Coranna muss wissen, wie es sich anfühlt, dachte Rhia. Vielleicht lügt sie, um Marek zu beschwichtigen. Aber was ist mit mir? Sollte ich nicht leiden? Stimmt etwas nicht?
„Lass mich mit ihr sprechen”, bat Marek.
Rhia hörte ein Seufzen, dann das Rascheln von Füßen und Kleidern. Mareks Stimme klang näher.
„Rhia, du weißt es vielleicht nicht, aber ich halte deine Hand. Bitte komm zurück, damit du es wieder spüren kannst.” Er atmete einmal tief durch, damit seine Stimme nicht zitterte. „Alles, was ich will, ist, neben dir zu liegen und dich zum Leben zu bringen. Aber ich kann noch nicht. Elora sagt, wir dürfen dich nicht zu schnell aufwärmen, sonst stirbst du wieder, und dieses Mal vielleicht für immer. Coranna hat noch nie jemanden zweimal zurückgebracht.
Lebe einfach. Der Rest kommt später. Du musst es nur wollen.” Er beugte sich über sie „Ich lasse nicht zu, dass du es nicht willst.”
Rhias Gedanken riefen nach ihm, obwohl sie nicht wusste, ob sie ihn zu sich bitten oder von sich wegstoßen wollte. Es war, als würde man mit einem Mund voller Staub zu schreien versuchen.
Er sprach mit Coranna. „Wie ist es an dem Ort, wo sie war?”
Nach einer langen Pause antwortete sie: „Die Details sind für jeden Menschen unterschiedlich, aber die meisten erfahren es als Ort des Lichts und der Geborgenheit.”
„Es muss ihr dort sehr gefallen haben. Sie hasst die Dunkelheit.” Er sprach wieder mit Rhia. „Erinnerst du dich daran, was ich dir damals, in jener Nacht, beigebracht habe, über die Energie, die zwischen dir und mir und allem fließt? Das gibt es auch in dieser Welt.”
Sie spürte einen Druck auf ihrer Brust und wusste nicht, ob er von innen oder außen kam. Hatte ihr Herz geschlagen, oder hatte Marek sie berührt?
Wie dem auch sei, es bedeutete, sie würde bleiben.
Endlich setzte Rhias Atmung wieder ein, flach und langsam, und jeder Atemzug bereitete ihr unsägliche Schmerzen, als wäre die Luft mit winzigen Dolchen erfüllt. Rhia wollte weinen, doch sie hatte keine Tränen, wollte schreien, doch sie hatte keine Stimme.
Sie war fest in etwas Dickes und Weiches gewickelt, das ihren Körper vor dem Erdboden schützte, der ihr so nicht länger die Wärme raubte. Sie konnte keinen Wind spüren, also musste man sie in die Höhle getragen haben.
Sie hasste es, zu atmen, aber sie zwang sich dennoch, damit weiterzumachen. Die anderen warteten schweigend um sie herum. Sie wünschte sich, sie würden sich über irgendetwas unterhalten, um sie von den Schmerzen und dem anstrengenden Kampf um ihr Leben abzulenken.
Vielleicht schliefen sie. Rhia konnte es nicht abwarten, zu schlafen. Sie konnte es nicht abwarten, sich zu bewegen, zu essen, zu trinken. Zu leben.
Also wollte sie letztlich doch leben. Auch wenn es nicht so gut war wie der Tod – sie wusste jetzt, dass nichts daran heranreichte -, war das Leben doch besser als diese Lähmung, die so sehr wie die Schwäche war, die sie vor vielen Jahren ausgelaugt hatte. Ihre Stärke war nie vollkommen zurückgekehrt, und darüber war sie selbst in diesem Augenblick verbittert. Wenn sie nur kräftiger wäre, hätte sie sich schon erholt haben können. Stattdessen war sie daran schuld, dass diese Menschen über Nacht in einer eiskalten Höhle sitzen und darauf warten mussten, dass sie sich endlich zum Leben bequemte.
Geschieht ihnen recht, dachte sie dann.
Ein Kichern stieg in ihr auf und platzte endlich nach draußen. In Rhias Kopf klang es wie ein Schluckauf, was sie noch mehr zum Lachen brachte. Ein panisches Delirium überkam
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